Sven Giegold

Euractiv: Mario Monti fordert „Tax Policy Group“ Debatte um gemeinsame EU-Steuerpolitik

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Der frühere EU-Kommissar Mario Monti warnt vor dem Steuerwettbewerb zwischen den EU-Staaten. Dieser könne die nationalen Einnahmen schmälern und zu Lasten der Sozialpolitik gehen.

Mario Monti fordert „Tax Policy Group“

Debatte um gemeinsame EU-Steuerpolitik

Der Binnenmarkt-Bericht des früheren EU-Kommissars Mario Monti bringt neuen Schwung in die Debatte um eine Europäisierung der Steuerpolitik.

Der Opens external link in new windowBinnenmarkt-Bericht des ehemaligen italienischen Kommissars Mario Monti hat eine Diskussion um die zukünftige Koordinierung der Steuerpolitik in den EU-Staaten ausgelöst.Der Bericht zur „Neubelebung des EU-Binnenmarktes“ im Auftrag von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso enthält eine Vielzahl strukturpolitischer Vorschläge – etwa zur Digitalwirtschaft und zum ‚grünen‘ Wachstum. Der Wettbewerbsfähigkeitsrat will sich am 25. Mai mit den Empfehlungen des Berichts befassen.

Auch der Steuerpolitik widmet Monti ein Kapitel (ab Seite 79). Der Bericht stellt zunächst eine „stark fragmentierte“ Steuerpolitik in Europa fest.

Zugleich warnt Monti vor dem Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedssstaaten: Ein funktionsfähiger Binnenmarkt stelle in Verbindung mit der Globalisierung eine wachsende Herausforderung für die nationalen Steuersysteme dar, und könnte langfristig ihre Einnahmen und ihre Fähigkeit zur Umverteilung schmälern.

Die Liberalisierung der Finanzmärkte und die Ausweitung des EU-Binnenmarktes ermögliche es Unternehmen, Strategien der Steuerminimierung zu verfolgen, bei denen sie sich die Länder mit den günstigsten Steuerbedingungen aussuchen („regulatory shopping“).

Schwund der Unternehmenssteuern

Als Antwort auf dieses Phänomen hätten die EU-Mitgliedstaaten die Steuerlast schrittweise verschoben – weg von den Kapital- und Unternehmenseinkommen hin zu den Arbeitseinkommen. Die Logik dahinter: Arbeitnehmer können nicht ohne weiteres in ein anderes Land „fliehen“, Unternehmen schon.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind in fast allen Mitgliedstaaten die Steuersätze für Unternehmen gesunken. Der EU-15-Durchschnittssteuersatz sank von knapp 50 Prozent im Jahr 1985 auf aktuell rund 30 Prozent.

Steuern auf Unternehmensgewinne tragen im EU-Durchschnitt 9,8 Prozent zu den gesamten Steuereinnahmen bei, Steuern auf Arbeit 46 Prozent.

Monti fordert „Tax Policy Group“

Vor diesem Hintergrund fordert Monti eine verbesserte Koordinierung zwischen den EU-Staaten, und zwar in den Bereichen Unternehmensbesteuerung, Mehrwertsteuer und Umweltsteuern. Vorteil der Koordination sei, das Unternehmens- und Kapitaleinkommen effektiver ins Visier genommen werden könnten.

Monti schlägt vor, für die Koordinierung eine „Tax Policy Group“ unter dem Vorsitz des EU-Steuerkommissars einzurichten. Die Gruppe aus Vertretern der Mitgliedsstaaten soll als Forum dienen, Strategien der Steuerpolitik zu diskutieren.

Traditionell lehnen die Mitgliedsländer Pläne ab, auf EU-Ebene in die Steuerpolitik und damit in das „Herz des Nationalstaats“ einzugreifen. Die EU muss in Steuerfragen einstimmig beschließen, was Entscheidungen erschwert.

Monti ist sich der nationalen Vorbehalte bewusst und spricht sich ausdrücklich gegen die „Steuerharmonisierung als Ziel“ aus. Es gehe stattdessen um mehr Koordinierung und Kooperation. Die Steuerhoheit spiegele lokale Präferenzen für unterschiedliche Besteuerungen und sei im demokratischen Prozess tief verwurzelt. Versuche der Harmonisierung seien daher unnötig und nicht sehr realistisch.

Debatte um Europäisierung

Die Kritik ließ trotz dieser Beteuerungen nicht lange auf sich warten. Der englische Tory-Politiker Malcolm Harbour (Fraktion der Konservativen und Reformisten), Vorsitzender des Binnenmarktausschusses (Opens external link in new windowimco), Opens external link in new windowerklärt: „Wir akzeptieren die nachdrückliche Unterstützung der Koordinierung der Steuerpolitik nicht.“ Diese Maßnahmen würden unweigerlich zur Steuerharmonisierung führen, mit einer zentralisierten Entscheidungsfindung und einer drastischen Reduzierung der Wettbewerbsfähigkeit der EU.

Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen im EU-Parlament, Opens external link in new windowkritisiert dagegen, Montis Ansatz sei nicht weitreichend genug. Auch wenn die Vorschläge in die richtige Richtung gingen, sei es unverständlich, dass der Bericht „das Einstimmigkeitsprinzip bei Steuerfragen nicht in Frage stellt und Harmonisierung als Ziel verwirft.“

Giegold fordert in der Schuldenkrise eine Europäisierung der Fiskalpolitik. „Neben dem effizienteren Einsatz von öffentlichen Geldern sind höhere Staatseinnahmen, vor allem durch gerechte Steuern auf Kapital- und Unternehmenseinkünfte unabdinglich. Dazu muss die Logik des jeder-für-sich in der EU gebrochen werden, und der Weg zu einer gemeinsamen Steuerpolitik geebnet werden.“

Alexander Wragge