Sven Giegold

Finanztransaktionssteuer

12 Jahre nach der Gründung  von Attac und fast 40 Jahre nach dem Vorschlag von James Tobin steht die internationale Besteuerung von Finanztransaktionen kurz vor der Verwirklichung. Endlich! Wenn die Durchsetzung einer Steuer auf Finanztransaktionen (FTS ) nun gelingt, so als Kind der Krise. Die Finanzkrise hat milliardenschwere Löcher in die Kassen praktisch aller OECD-Länder gerissen. Überall auf der Welt grübeln die Staaten, die sich diese Löcher stopfen lassen. Schmerzhafte Einschnitte lassen sich kaum rechtfertigen, wenn nicht die Verursacher der Krise zur Kasse gebeten werden. Da kommt eine allgemeine Steuer auf Finanztransaktionen gerade recht. Schließlich kann sie bis zu 150 Milliarden € alleine in der EU zum Fiskus  lenken und gleichzeitig die unbeliebte Finanzspekulation in die Schranken weisen.

Die Liste der UnterstützerInnen der Steuer wird immer länger. Gewerkschaften, Kirchen, Entwicklungsorganisationen, Umweltverbände sind inzwischen genauso entschieden für die FTS wie Attac. Das gleiche gilt für praktisch alle Parteien links der Mitte. In der Eurozone findet sich angesichts dieses Druck kein einziger EU-Mitgliedssaat mehr, der sich hart gegen die FTS ausspricht. Das Europaparlament hat sich seit Juli 2009 mehrfach für weitere Schritte zur Realisierung der FTS ausgesprochen. Es scheint fast so, als sei es nur noch eine Frage der Zeit bis die Steuer wirklich kommt.

Bei aller Freude über die rasanten Fortschritte bei der Durchsetzung der Forderung, die unser Netzwerk Attac im Namen trägt, sollten wir uns aber auch eingestehen: Hatten wir uns das nicht alles anders vorgestellt? Wollten wir die Welt nicht genau vor den Krisen der neoliberalen Globalisierung bewahren, die uns nun zur Umsetzung der FTS helfen? Wollten wir nicht die gigantischen Einnahmen verwenden, um den Ärmsten der Welt ein Leben in Würde zu ermöglichen und die Natur global zu bewahren? Leider sieht es danach derzeit überhaupt nicht aus: Entwicklungshilfe-Verpflichtungen werden überall zurückgefahren. Mit den ärmsten Ländern wird in den internationalen und bilateralen Handelsverhandlungen rüder umgegangen denn je. Und vermutlich am schlimmsten: Die Anstrengungen gegen die globale Erwärmung erleiden Rückschlag um Rückschlag. Ein globaler Klima-Deal scheitert nicht zuletzt an der Weigerung der Industrieländer Verantwortung für die Kosten ihrer ungerechten Politik zu übernehmen.

Deshalb sollten sich die FTS-UnterstützerInnen auf zweierlei konzentrieren: Den Kampf um die Verwendung des Geldes aufnehmen und die letzten Widerstände brechen.

Bei der Verwendung muss es durch den Druck mit Umwelt- und Entwicklungsorganisationen gelingen, dass zumindest ein großer Teil der Gelder für globale öffentliche Güter wie soziale Rechte und Klimaschutz verwendet wird. Es kann einfach nicht sein, dass die Staaten mit großen Finanzplätzen das Geld einfach einsacken.

Was die Widerstände angeht, so hat sich zumindest die lange zögerliche Bundesregierung festgelegt. Sie will die FTS möglichst auf globaler Ebene. Wenn das nicht geht, in der EU. Und wenn das nicht klappt in der Eurozone. Angesichts der Ablehnung Kanadas, der UK und der USA, wird es weder in der G20 noch in der EU einen Konsens geben. Daher ist die Eurozone die Ebene, auf der die Einführung der FTS gelingen muss. Anders als auf nationaler Ebene ist das auch möglich, ohne dass es zu all zu viel Umgehungsproblemen kommt. Denn die Europäische Zentralbank kann durchsetzen, dass jede Transaktion in Euro auch mit der FTS belegt wird. Spekulanten, die das vermeiden wollen, müssen schon eine andere Währung verwenden. Das wird sich in erträglichen Grenzen halten und bedroht auch keinen der europäischen Finanzplätze. Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Von der Bundesregierung gilt es nun einzufordern, dass sie bei der Umsetzung der FTS in der Eurozone auch liefert, wenn das Scheitern des Vorschlags auf G20- und EU-Ebene feststeht. Die Realisierung in der Eurozone sollte so erfolgen, dass sich auch Länder mit anderen Währungen und aus anderen Weltregionen der Euro-FTS anschließen können. So kann eine globale Finanztransaktionssteuer-Zone wachsen.