Sven Giegold

ND: Unterstützt die EZB!

Brüsseler Spitzen von Sven Giegold

Die Euro-Debatte in Deutschland dreht immer absurdere Pirouetten. Seit dem Zusammenbruch der Bank Lehman Brothers ist die deutsche Bundesregierung stetiger Bremser bei einer gerechten und starken europäischen Zusammenarbeit zur Überwindung der Finanzkrise. Nun drohen Italien und Spanien für ihre Staatsanleihen den Marktzugang zu akzeptablen Zinssätzen zu verlieren.

Die Beschlüsse des Euro-Gipfels vor drei Wochen sind in doppelter Weise unzureichend. Ökonomisch lösen sie die Probleme des wirtschaftlichen Auseinanderdriftens der Eurozone nicht. Politisch sind die verabredeten Entscheidungsmechanismen zum vernünftigen Krisenmanagement unfähig. Die Europäischen Bürgerinnen und Bürger haben eine effektive Wirtschaftsregierung verdient! Weder können immer häufigere Gipfeltreffen von nationalen Regierungschefs und Finanzministern zum Dauerzustand werden, noch können notwendige Entscheidungen des Euro-Rettungsschirms EFSF und des Europäischen Währungsfonds (EFM) von 17 nationalen Parlamenten abhängig gemacht werden.

Die einzige derzeit handlungsfähige Institution ist die Europäische Zentralbank (EZB). Sie kauft nun am Sekundärmarkt spanische und italienische Staatsanleihen, um eine Explosion der Zinssätze durch Spekulation zu verhindern. Sofort donnert ein Gewitter von Kritik von CDU- und FDP-Bundestagsabgeordneten durch die deutsche Presse. Adressat ist allein die zunehmend finanzmarktkritische deutsche Öffentlichkeit, unabhängig von den negativen Wirkungen auf die EU-Partnerländer durch Verschärfung der Spekulation. Angesichts der unzureichenden wirtschaftspolitischen Integration nimmt die EZB hier ihr Mandat ernst, die Stabilität des Euro zu schützen. Die deutsche Politik sollte ihr aktuelles Handeln unterstützen, indem der EFSF zügig für die Risiken der EZB aus europäischen Staatsanleihen in Haftung tritt. Das wäre ordnungspolitisch vernünftig.

Statt die Risiken bei den Verantwortlichen anzusiedeln, wird die EZB mit falschen Argumenten geschwächt. Sie drucke Geld, behaupten Hobbyökonomen regelmäßig. Falsch! Alle von der EZB durch den Kauf von Staatsanleihen geschaffene Liquidität wurde durch andere Offenmarktgeschäfte wieder neutralisiert. Dann behaupten deutsche Orthodoxie-Wächter, die EZB würde die Finanzierung der Staaten übernehmen. Genauso falsch, denn das darf sie nach den EU-Verträgen überhaupt nicht. Deshalb kauft die EZB Staatsanleihen nur am Sekundärmarkt mit Preisabschlägen, was sie auch vor der Finanzkrise schon gemacht hat. Sehr wahrscheinlich, wird sie damit ein gutes Geschäft machen.

EU-Kommissionspräsident Barroso veröffentlichte kürzlich einen Brief, um schnellere und weitergehende Reformen am Eurorettungsschirm EFSF anzumahnen. Welche Verzweiflung über das schlechte und national orientierte Krisenmanagement gerade Deutschlands und Frankreichs muss ihn mitten in der Krise dazu getrieben haben, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Letztlich wird nur ein großer Sprung nach vorne zu einer Europäischen Wirtschaftsregierung die Euro-Probleme lösen. Italien und Spanien mit einem Refinanzierungsbedarf von 450 Milliarden Euro in den nächsten 12 Monaten sind letztlich zu groß für EFSF und ESM. Wir brauchen endlich echte Eurobonds etwa nach dem Blue-Bonds-Vorschlag von Bruegel. Sie sichern günstige Zinsen für die Staatsanleihen aller Euro-Länder, schaffen einen hochliquiden EU-Anleihemarkt und geben starke Anreize zur Haushaltssanierung der Mitgliedsländer. Das ist auch für Deutschland allemal billiger als die jetzige Krise und ihr schlechtes Management.