Sven Giegold

Pakt für Wettbewerbsfähigkeit: Bundesregierung legt Axt an europäische Integration

Der von der Bundesregierung zum Europäischen Rat vorgeschlagene “Pakt für Wettbewerbsfähigkeit” räumt den nationalen Regierungen die Schlüsselrolle in der geplanten EU-Wirtschaftsregierung ein.

Dazu erklärt Sven Giegold, wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament:

„Durch die übermächtige Stellung der nationalen Regierungen in diesem Pakt ignoriert die Bundesregierung die Gesetzgebung per Gemeinschaftsmethode. Sie schließt so Kommission und Parlament von zentralen politischen Entscheidungen über Arbeitsmarktpolitik, Steuern und Rentenversicherung aus. Vielmehr sollen intransparent hinter verschlossenen Türen tagende Staatschefs die Zukunft des Kontinents gestalten. Die Bundesregierung samt Europa-Freund Schäuble verabschiedet sich damit von der Gemeinschaftsmethode und legt damit die Axt an die europäische Integration. Dazu passt, dass auch die notwendigen Verwaltungskapazitäten in einer Parallelstruktur beim Rat und nicht bei der Kommission angesiedelt werden sollen.

Der Vorschlag der Bundesregierung ist auch wirtschaftspolitisch einäugig. Während schwächelnde Staaten unter massiven Druck gesetzt werden sollen, werden die deutschen ökonomischen Nationalismen ausgeblendet. Zum Abbau von wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der Eurozone sieht der Pakt insbesondere Mitgliedsländer mit geringerer Wettbewerbsfähigkeit in der Bringschuld. Gleichzeitig ist die Bundesregierung in blind gegenüber einer notwendigen Verringerung von Leistungsbilanzüberschüssen, wie in Deutschland.

Im Zuge des Paktes will die Bundesregierung durchsetzen, dass die Mitgliedsstaaten auf europäischer Ebene beschließen, ihre Rentensysteme an die demographische Entwicklung anzupassen. Die Mitgliedsstaaten, darunter auch die Bundesregierung, stehen normalerweise EU-weiten sozialpolitischen Regelungen ablehnend gegenüber. Ein soziales Europa wurde immer zurückgewiesen. Kaum stehen die Rentensysteme im Zusammenhang mit Wettbewerbsfähigkeit gibt die Bundesregierung jedoch ihre „Zurückhaltung“ zur supranationalen Gesetzgebung auf.

Erfreulich ist die geforderte einheitliche Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftssteuer. Zu einer echten Wirtschaftsregierung gehört jedoch eine weitergehende Steuerharmonisierung, inklusive Mindeststeuersätze und eine konsequente Bekämpfung von Steuerflucht.

Für zentrale wirtschaftspolitischen Entscheidungen wie sie durch den Pakt angestrebt werden, ist die Gemeinschaftsmethode der einzig richtige Weg. Das Parlament darf diese Kampfansage gegen ein Europa der BürgerInnen keinesfalls hinnehmen. Das gilt umso mehr als die Verhandlungsposition der Bundesregierung unter Missachtung der Beteiligungsrecht des deutschen Bundestages zustande gekommen ist.“

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Nachfolgend finden Sie den Text der Bundesregierung für den Pakt für Wettbewerbsfähigkeit:

Wir, die Staats- und Regierungschefs von xxx, beschließen [am xxx 2011] einen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“.

Die EU hat bereits wichtige erste Schritte getan, um die Finanzstabilität zu wahren und die Rückkehr zu nachhaltigem Wachstum zu fördern: Die Vorschläge der Van Rompuy–Arbeitsgruppe zur Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts und Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte müssen bis spätestens Juni angenommen sein. Dabei muss der Mechanismus zur makroöko-nomischen Überwachung insbesondere bei den Mitgliedstaaten ansetzen, die aufgrund ihrer starken Wettbewerbsdefizite eine Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Raumes darstellen.

Wir sind jedoch zu weiteren entschlossenen Schritten bereit: Dieser Pakt zielt da-rauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit in den beteiligten Staaten daürhaft zu erhöhen und so eine stärkere wirtschaftliche Konvergenz zu erreichen. Dies soll auf der Basis konkreter Verpflichtungen geschehen, die ehrgeiziger und verbindlicher sind als die von den EU 27-Ländern bereits beschlossenen. Dabei wollen wir uns an den jeweils besten Praktiken orientieren („benchmarking against the best“) Wir verpflichten uns auf drei quantifizierbare Indikatoren, die entscheidende Grad-messer für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaften sind:

1. Indikator zur Messung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit (z.B. Stabilität der realen Lohnstückkosten, Orientierung der Arbeitskosten an der Produktivität-sentwicklung)

2. Stabilität der öffentlichen Finanzen im umfassenden Sinne (Bewertungsmaßstab noch festzulegen, Berücksichtigung von expliziter und impliziter öffentlicher Verschuldung)

3. Mindestrate für Investitionen in Forschung, Entwicklung, Bildung und Infrastruktur von x% des BIP (Wert noch festzulegen)

Wir verpflichten uns, uns auf Basis eines Berichts der KOM (ggfls. mit Unterstüt-zung der EZB oder des Europäischen Systemrisikorats) an diesen Indikatoren messen zu lassen. Im Rahmen unserer nationalen Verantwortung werden wir alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Wir werden Vertreter der nationalen Parlamente der sich beteiligenden Staaten einladen, sich regelmäßig zu treffen und diesen verstärkten Koordinierungspro-zess für mehr Wettbewerbsfähigkeit auch jenseits der nationalen Gesetzgebung zu begleiten.

Zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit vereinbaren wir als ersten Schritt ein „6-Punkte-Programm für mehr Wettbewerbsfähigkeit“, dessen Maßnahmen binnen 12 Monaten national umzusetzen sind:

1. Abschaffung von Lohnindexierungssystemen

2. Einigung über gegenseitige Anerkennung von Bildungs- und Berufsabschlüssen zur Förderung der Arbeitsmobilität in Europa

3. Einsatz für Schaffung einer einheitlichen Körperschaftsteür-Bemessungsgrundlage

4. Anpassung des Rentensystems an die demographische Entwicklung (z.B. Renteneintrittsalter)

5. Verpflichtung zur Verankerung einer „Schuldenbremse” in die Verfassungen aller Mitgliedstaaten

6. Einführung nationaler Krisenbewältigungsregime für Banken

Wir, die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone [plus X], werden die Umset-zung des Pakts für Wettbewerbsfähigkeit regelmäßig überprüfen. Zur Organisati-on unserer Arbeit und um unsere Entscheidungen auf eine tragfähige Basis zu stellen, werden wir die erforderlichen Verfahren festlegen und institutionelle Vor-kehrungen treffen.

Wir bitten die KOM, uns nach 12 Monaten einen Bericht zur Umsetzung der 6 Maßnahmen und diesbezügliche Empfehlungen vorzulegen. Außerdem werden wir die Einführung eines Sanktionsmechanismus prüfen.

Wir sind überzeugt: Die verstärkte Koordinierung unserer für die Wettbewerbsfä-higkeit der Eurozone entscheidenden Politiken und der neü daürhafte Krisen-bewältigungsmechanismus (ESM) werden zusammen die daürhafte Stabilität unserer Währung sichern. Diese beiden neün Eckpfeiler der Wirtschafts- und Währungsunion bringen die ihr zugrunde liegenden Grundsätze der Verantwor-tung und der Solidarität in ein ausgewogenes Verhältnis.

Wir, die Staats- und Regierungschefs von xxx, leisten damit unseren Beitrag, um das Glück der europäischen Einigung für künftige Generationen zu schützen.

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

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