Sven Giegold

Ratingagenturen: Schritte gegen unsägliche Dominanz und Interessenkonflikte der „drei Großen“

Ratingagenturen: Schritte gegen unsägliche Dominanz und Interessenkonflikte der „drei Großen

Europaparlament fordert Schaffung einer Europäischen Ratingstiftung

Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament und Schattenberichterstatter erklärt zur heutigen Abstimmung des Berichtes über die Zukunft der Ratingagenturen:

„Im Vorfeld der für die im Herbst erwartete Überarbeitung der Richtlinie zu Ratingagenturen macht das Europaparlament heute klar, dass die Schaffung einer unabhängigen europäischen Agentur von zentraler Bedeutung für eine ausgewogenere Ratingkultur ist. Das Parlament fordert die Kommission auf, insbesondere die Einrichtung einer völlig unabhängigen Ratingstiftung zu prüfen. Diese Lösung haben wir Grünen von Anfang an unterstützt. Unserer Vorstellung nach sollte insbesondere für Staatsschulden verpflichtend ein Zweitrating durch diese europäische Agentur vergeben werden. Damit würde auch die unsägliche Dominanz der drei marktbeherrschenden Ratingagenturen eingeschränkt.

Darüber macht die Entschließung des Parlaments deutlich, dass Alternativen zum vorherrschenden Zahlmodell für Ratings („issuer pays“) gefunden werden müssen. Heute bezahlen Schüler (die Emittenten) die Lehrer (Ratingagenturen). In den letzten Jahren hat dieses Model zu schwerwiegenden Interessenkonflikten geführt. Als Grüne hätten wir uns an dieser Stelle mehr Schärfe im Bericht des Europaparlaments gewünscht.

Zur Frage der Haftung allerdings ist der Bericht eindeutig: bei grober Fahrlässigkeit oder Fehlverhalten muss die Frage der Haftung EU weit einheitlich geregelt werden.

Im kommenden Gesetzgebungsverfahren werden wir weiter auf umfassende und durchschlagende Lösungen pochen.“

_______________

Entschließung des Europaparlaments

zu den Zukunftsperspektiven der Ratingagenturen

(2010/2302(INI))

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis des Vermerks der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) vom März 2009 zur „Internationalen Zusammenarbeit bei der Beaufsichtigung von Ratingagenturen“,

–   unter Hinweis auf das gemeinsame Forum zur „Bestandsaufnahme zur Verwendung von Ratings“ im Juni 2009,

–   in Kenntnis des Berichts des Rates für Finanzmarktstabilität an die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder zur „Verbesserung der Regulierung des Finanzsektors“ vom 25. September 2009,

–   in Kenntnis des Berichts des Internationalen Währungsfonds vom 29. Oktober 2010 über die „Stabilität der globalen Finanzmärkte: Staaten, Finanzierung und systemische Liquidität“,

–   unter Hinweis auf die Erklärung des Gipfeltreffens der G-20 in Toronto vom 26. und 27. Juni 2010,

–   in Kenntnis des Berichts des Rates für Finanzmarktstabilität über „Grundsätze für die Verringerung der Abhängigkeit von Ratings von Ratingagenturen“ vom 27. Oktober 2010,

–   unter Hinweis auf die von der Kommission am 5. November 2010 eingeleitete Konsultation der Öffentlichkeit,

–   gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–   in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Währung sowie der Stellungnahme des Rechtsausschusses (A7-0081/2011),

A. in der Erwägung, dass die laufenden Arbeiten zur Regulierung der Ratingagenturen auf globaler, internationaler und europäischer Ebene zu begrüßen sind,

B.  in der Erwägung, dass Ratingagenturen Informationsmittler sein sollen, die Informationsasymmetrien auf den Kapitalmärkten verringern und den globalen Marktzugang erleichtern, wobei Informationskosten reduziert werden und der Kreis der potentiellen Kreditnehmer und Investoren erweitert wird und somit den Märkten Liquidität und Transparenz zur Verfügung gestellt und Unterstützung bei der Preisermittlung geleistet wird,

C. in der Erwägung, dass im Sinne neuerer Rechtsvorschriften den Ratingagenturen eine andere Funktion zugewiesen wurde, die als „Zertifizierung“ bezeichnet werden kann, was die Tatsache widerspiegelt, dass Ratings zunehmend in die Eigenkapitalbestimmungen aufgenommen werden,

D. in der Erwägung, dass die Finanzakteure zu viel Vertrauen in die Bewertungen der Ratingagenturen gesetzt haben,

E.  in der Erwägung, dass Ratingagenturen drei verschiedene Bereiche bewerten – den öffentlichen Sektor, Unternehmen und strukturierte Finanzinstrumente –, und dass Ratingagenturen durch die Zuordnung fehlerhafter Ratings zu strukturierten Finanzinstrumenten, die während der Krise durchschnittlich drei bis vier Stufen herabgestuft werden mussten, eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Finanzkrise gespielt haben,

F.  in der Erwägung, dass die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 die erste Reaktion auf die Finanzkrise war und bereits die dringendsten Themen behandelt, wobei die Ratingagenturen einer Aufsicht und Regulierung unterstellt werden; in der Erwägung, dass sie jedoch nicht alle grundlegenden Probleme behandelt und in der Tat einige neue Eintrittshindernisse schafft,

G. in der Erwägung, dass die fehlende Regelungssicherheit in diesem Bereich die ordnungsgemäße Funktionsweise der Finanzmärkte in der EU gefährdet und deshalb erfordert, dass die Kommission vor der Ausarbeitung weiterer Änderungsanträge zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 die im neuen Rechtsrahmen vorhandenen Lücken sorgfältig ermittelt und eine Folgenabschätzung der zur Schließung dieser Lücken verfügbaren Alternativen, einschließlich der Möglichkeit weiterer Legislativvorschläge, vorlegt,

H. in der Erwägung, dass die Ratingindustrie verschiedenen Problemen gegenübersteht, wobei mangelnder Wettbewerb, oligopolistische Strukturen sowie das Fehlen von Rechenschaftspflicht und Transparenz zu den schwerwiegendsten Problemen zählen; in der Erwägung, dass ein Problem dominanter Ratingagenturen insbesondere im Zahlungsmodell besteht, und in der Erwägung, dass das grundlegende Problem des Rechtsrahmens eine übermäßige Abhängigkeit von externen Kreditratings ist,

I.   in der Erwägung, dass der beste Weg zur Stärkung des Wettbewerbs darin bestehen würde, ein Regelungsumfeld zu schaffen, das den Zugang effizient begünstigen würde, sowie darin, eine eingehendere Untersuchung der derzeit vorhandenen Zugangsbeschränkungen und der sonstigen wettbewerbsbehindernden Faktoren durchzuführen,

J.   in der Erwägung, dass in guten Zeiten Marktteilnehmer dazu neigen, die zugrundeliegende Methodik und die Bedeutung von Kreditratings, die versuchen, die Ausfallwahrscheinlichkeit aufzuzeigen, falsch zu verstehen oder unberücksichtigt zu lassen,

K. in der Erwägung, dass die jüngsten Entwicklungen in der Eurokrise die wesentliche Bedeutung der Ratings von Staatsschulden und sowohl die Inkonsistenz als auch den prozyklischen Charakter der regulatorischen Verwendung von Ratings verdeutlicht haben,

L.  in der Erwägung, dass ungeachtet der im Rahmen der wirtschaftspolitischen Steuerung und der Stresstests möglicherweise neu entstehenden Strukturen und Geschäftsmodelle die Unabhängigkeit der Ratings gegenüber einer Beeinflussung durch Märkte oder Politik von grundlegender Bedeutung ist und sichergestellt werden muss,

M. in der Erwägung, dass Ratings sich zwar infolge grundlegender Anpassungen an das Risikoprofil oder aufgrund neuer Informationen verändern können und dies auch tun, dass sie aber so ausgerichtet sein sollten, dass sie stabil bleiben und nicht auf der Grundlage von Marktgefühlen schwanken,

N. in der Erwägung, dass das Basel-II-System zu einem übermäßigen Vertrauen in die externen Ratings geführt hat, in manchen Fällen verbunden mit der Weigerung der Banken, selbständige Bewertungen der von ihnen verbürgten Auslagen vorzunehmen,

O. in der Erwägung, dass die jüngste Regelung in den Vereinigten Staaten in Bezug auf Ratings mit dem Dodd Frank Act eine geringere normative Abhängigkeit von den Beurteilungen durch die Agenturen vorsieht,

Makroebene: Finanzmarktregulierung

Übermäßige Abhängigkeit

1.  ist der Ansicht, dass angesichts der Änderung der Anwendung von Kreditratings, bei denen der Emittent beurteilt wird, um eine Vorzugsbehandlung in einem Rechtsrahmen statt Zugang zu den globalen Kapitalmärkten zu erhalten, die übermäßige Abhängigkeit des Finanzregulierungssystems von externen Kreditratings so weit wie möglich und in einem realistischen Zeitrahmen verringert werden muss;

2.  vertritt die Auffassung, dass Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der gängigen Praxis, derzufolge Ratingagenturen die Marktteilnehmer prüfen und gleichzeitig Aufträge von ihnen erhalten, verringert werden müssen;

3.  stimmt den Grundsätzen des Rates für Finanzmarktstabilität vom Oktober 2010 zu, der allgemeine Leitlinien für die Verringerung der Abhängigkeit von externen Kreditratings aufgestellt hat, und begrüßt die von der Kommission im November 2010 eingeleitete Konsultation der Öffentlichkeit; fordert die Kommission auf, zu prüfen, ob und wie die Mitgliedstaaten Ratings für Regelungszwecke nutzen, um das in sie gesetzte allgemeine übermäßige Vertrauen der Finanzaufsicht zu verringern;

4.  weist auf Mängel der standardisierten Herangehensweise im Rahmen des Baseler Regelwerks hin, die es ermöglichen, Eigenkapitalanforderungen für Finanzinstitutionen auf der Grundlage von externen Kreditratings festzulegen; hält es für wichtig, einen Eigenkapitalrahmen festzulegen, der eine solide interne Risikobewertung, eine bessere Übersicht über die entsprechenden Risikobewertungen und einen verbesserten Zugang zu wichtigen kreditbezogenen Informationen gewährleistet; unterstützt in dieser Hinsicht die verstärkte Nutzung des auf internen Ratings basierenden Ansatzes (IRB-Ansatz), wenn dieser vertrauenswürdig und zuverlässig ist, und die Größe, Kapazität und das Entwicklungsniveau der Finanzinstitution eine angemessene Risikobewertung ermöglichen; ist der Auffassung, dass zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen die internen Modelle die in den Rechtsvorschriften der Union vorgeschriebenen Parameter beachten und einer strengen aufsichtsrechtlichen Bestätigung unterliegen müssen; ist gleichzeitig der Ansicht, dass kleinere und weniger entwickelte Akteure mit geringeren Kapazitäten in der Lage sein sollten, externe Ratings zu nutzen, wenn eine interne Kreditrisikobewertung nicht rentabel ist und sie die entsprechenden Sorgfaltspflichten erfüllen;

5.  weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass den Entwicklungen im Rahmen von Basel III und dem laufenden Prozess im Zuge der Richtlinien über Eigenkapitalanforderungen (CRD IV) in dieser Hinsicht Rechnung getragen wird;

6.  hält es für notwendig, die Fähigkeit der Anleger wiederherzustellen, eine eigene sorgfältige Prüfung vorzunehmen, um eine verstärkte Nutzung der unternehmenseigenen internen Modelle der Kreditrisikobewertung zu ermöglichen; schlägt vor, dass Banken und andere Finanzakteure wesentlich öfter geeignete interne Risikobewertungen in Anspruch nehmen sollten;

7.  vertritt die Auffassung, dass Marktteilnehmer nicht in strukturierte oder andere Produkte investieren sollten, wenn sie nicht die zugrundeliegenden Kreditrisiken selbst bewerten können, oder dass sie alternativ dazu die höchste Risikogewichtung anwenden sollten;

8.  ersucht die Europäische Zentralbank und die einzelstaatlichen Zentralbanken, ihren Rückgriff auf externe Ratings zu überprüfen, und fordert sie nachdrücklich auf, Sachkunde bei der Entwicklung ihrer eigenen Modelle zur Beurteilung der Bonität refinanzierungsfähiger Sicherheiten zu entwickeln, die als Sicherheiten für liquiditätszuführende Geschäfte verwendet werden, sowie ihre Abhängigkeit von externen Kreditratings zu verringern;

9.  fordert die Kommission auf, den möglichen Einsatz alternativer Instrumente zur Feststellung des Kreditrisikos sorgfältig zu bewerten;

Kapazitätsausbau für Aufsichtsgremien

10. ist sich des inhärenten Interessenkonflikts bewusst, wenn Marktteilnehmer interne Kreditrisikobewertungen für ihre eigenen Kapitalanforderungen entwickeln, und sieht daher die Notwendigkeit, die Verantwortlichkeiten, Kapazitäten, Befugnisse und Ressourcen der Aufsichtsgremien für die Kontrolle, Bewertung und Beaufsichtigung der Angemessenheit der internen Modelle und für die verbindliche Einführung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen auszubauen; ist der Auffassung, dass sofern ein internes Modell aufgrund seiner Komplexität durch die Aufsichtsgremien nicht angemessen bewertet werden kann, dieses Modell nicht für regulatorische Verwendungszwecke angenommen werden sollte; regt an, dass auch der Transparenz der Voraussetzungen für eine unabhängige wissenschaftliche Bewertung Bedeutung beigemessen wird;

11. weist darauf hin, dass die Europäische Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde) das Recht haben sollte, unangekündigte Untersuchungen und Prüfungen vor Ort durchzuführen, um ihre Aufsichtsbefugnisse wirksam ausüben zu können, und dass die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde bei der Ausübung ihrer Kontrollbefugnisse den Personen, gegen die Verfahren eingeleitet worden sind, eine Gelegenheit zur Anhörung geben sollte, um ihr Recht auf Verteidigung zu wahren;

Gleiche Ausgangsbedingungen

12. betont den globalen Charakter der Ratingindustrie und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten eindringlich auf, gemeinsam mit anderen Ländern der G20 und gestützt auf die höchsten Standards an einer globalen Herangehensweise sowohl in Bezug auf eine Regelung für die Ratingagenturen als auch in Bezug auf ratingbezogene aufsichtsrechtliche und börsenspezifische Regelungen zu arbeiten, um die übermäßige Abhängigkeit von externen Kreditratings einzuschränken sowie gleiche Ausgangsbedingungen zu wahren, die regulatorische Arbitrage zu vermeiden und die Märkte offen zu halten;

13. betrachtet die Stimulierung des Wettbewerbs, die Förderung der Transparenz und die Frage eines künftigen Zahlungsmodells als die vorrangigsten Aufgaben, während die Frage nach dem Standort einer Ratingagentur als zweitrangig angesehen werden sollte;

14. weist erneut darauf hin, dass Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 zwei Systeme für den Umgang mit externen Kreditratings aus Drittländern vorsieht und dass das Ziel des Übernahmemechanismus darin bestand, in der Europäischen Union die Anwendung nicht gleichwertiger externer Kreditratings aus Drittländern zu ermöglichen, sofern die übernehmende Ratingagentur die eindeutige Verantwortung übernimmt;

Zwischenebene: Branchenstruktur

Wettbewerb

15. hebt hervor, dass ein erhöhter Wettbewerb in dem Sektor nicht automatisch mit einer besseren Qualität der Ratings einhergeht, und betont erneut, dass sämtliche Ratingagenturen den höchsten Anforderungen gemäß Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in Bezug auf Integrität, Offenlegung, Transparenz und Bewältigung von Interessenkonflikten Rechnung tragen müssen, um die Qualität von Ratings sicherzustellen und einem „Rating Shopping“ vorzubeugen;

Europäische Ratingstiftung

16. fordert die Kommission auf, eine ausführliche Folgenabschätzung vorzunehmen und eine Durchführbarkeitsstudie in Hinblick auf die Kosten, Vorteile und möglichen Leitungsstrukturen einer völlig unabhängigen Europäischen Ratingstiftung, die über Sachverstand in allen drei Bereichen des Ratings verfügt, zu erstellen; ist der Ansicht, dass die Kommission die Kosten der Anlauffinanzierung für die ersten drei und höchstens fünf Jahre der Arbeit der Europäischen Ratingstiftung berücksichtigen sollte und dass diese sorgfältig bewertet werden müssen; weist nachdrücklich darauf hin, dass diesbezügliche Legislativvorschläge mit besonderer Sorgfalt ausgearbeitet werden müssen, um zu vermeiden, dass die gleichzeitigen Initiativen zur Minderung des übermäßigen Vertrauens in Ratings und zur Unterstützung der Markteinführung neuer Ratingagenturen unterlaufen werden;

17.  fordert die Kommission auf, in dieser Hinsicht zusätzlich zu den in Absatz 9 genannten Tätigkeiten eine ausführliche Folgen- und Kostenabschätzung sowie eine Durchführbarkeitsstudie für die notwendige Finanzierung zu erstellen; ist der festen Überzeugung, dass die Finanzierungskosten unter keinen Umständen von den Steuerzahlern getragen werden sollten, und ist der Ansicht, dass keine weiteren Mittel bereitgestellt werden sollten und die neue Europäische Ratingstiftung nach der Anlaufphase bei der finanziellen Ausstattung ihres eigenen Haushalts vollständig selbsttragend sein sollte;

18. ist der Ansicht, dass die Management-, Personal- und Verwaltungsstruktur der neuen Europäischen Ratingstiftung vollkommen unabhängig und autonom sein muss und beispielsweise gegenüber den Mitgliedstaaten, der Kommission und allen anderen öffentlichen Einrichtungen, der Finanzindustrie und anderen Ratingagenturen keinerlei Weisungen unterliegen sollte, um ihre Glaubwürdigkeit sicherzustellen, und dass sie gemäß der geänderten Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 funktionieren muss;

19. fordert die Kommission auf, eine umfassende Prüfung der Kosten, Vorteile und Verwaltungsstruktur eines solchen Netzwerks europäischer Ratingagenturen vorzunehmen und dabei auch Überlegungen darüber anzustellen, wie innerstaatlich aktive Ratingagenturen ermuntert werden könnten, sich in Partnerschafts- oder Joint-Venture-Strukturen einzubinden, um auf vorhandene Strukturen und Mitarbeiter zurückzugreifen und ihnen somit gegebenenfalls zu ermöglichen, eine größere Bandbreite zur Verfügung zu stellen und mit grenzüberschreitend tätigen Ratingagenturen zu konkurrieren; schlägt vor, dass die Kommission Methoden zur Unterstützung der Netzwerke von Ratingagenturen erforscht, ist aber der Ansicht, dass ein solches Netzwerk auf einer Initiative der Industrie beruhen sollte;

20. sieht die potentielle Notwendigkeit, die Einrichtung eines solchen Netzwerks am Anfang zu unterstützen; ist jedoch der Ansicht, dass das Netzwerk unabhängig und aufgrund seiner eigenen Einnahmen profitabel sein sollte; fordert die Kommission auf, die Notwendigkeit und die potentiellen Mittel der Anlauffinanzierung sowie mögliche rechtliche Strukturen für dieses Vorhaben zu prüfen;

20a. vertritt die Ansicht, dass die Einrichtung einer wirklich unabhängigen europäischen Ratingagentur ebenso von der Kommission geprüft und bewertet werden sollte; fordert die Kommission auf, insbesondere die Frage der Mitarbeiter dieser Agentur zu prüfen, die gänzlich unabhängig sein sollten, sowie die Frage ihrer Mittel, die aus Gebühren aus dem privaten Finanzsektor stammen sollten;

 

Unterrichtung und Zugang zu Informationen

21. vertritt die Auffassung, dass Ratings dazu dienen müssen, die Marktinformationen so auszuweiten, dass Investoren eine sektor- und länderübergreifende stichhaltige Bewertung des Kreditrisikos zur Verfügung steht; hält es für wichtig, dass die Nutzer befähigt werden, Ratingagenturen besser und genauer zu prüfen, und betont diesbezüglich die zentrale Bedeutung einer verstärkten Transparenz bei ihren Tätigkeiten;

22. weist darauf hin, dass eine verstärkte Offenlegung von Informationen über Produkte im Bereich der strukturierten Finanzinstrumente notwendig ist, damit Anleger Risiken angemessen bewerten, sorgfältige Prüfungen durchführen und ihren treuhänderischen Pflichten nachkommen können, so dass sie ihre Beurteilungen in Kenntnis der Sachlage vornehmen können; ist der Ansicht, dass erfahrene Anleger in der Lage sein sollten, die zugrundeliegenden Kredite zu bewerten, von denen sie dann das Risiko für ein verbrieftes Produkt ableiten können; unterstützt die bestehenden Initiativen der EZB und anderer Stellen, in dieser Hinsicht mehr Informationen zu strukturierten Finanzinstrumenten zur Verfügung zu stellen; fordert die Kommission auf, die Notwendigkeit einer verstärkten Offenlegung von Informationen für sämtliche Produkte im Bereich der Finanzinstrumente zu prüfen;

23. stellt fest, dass die meisten Ratingagenturen neben ihrer Ratingtätigkeit eine Reihe von Ausblicken, Berichten, Warnungen und Übersichten herausgeben, die ihrerseits erhebliche Auswirkungen auf die Märkte haben; vertritt die Auffassung, dass diese Unterlagen nach im Vorhinein festgelegten Kriterien und Protokollen, mit denen Transparenz und Vertraulichkeit gewährleistet werden, offengelegt werden sollten;

24. fordert die Kommission auf, eine Überprüfung der Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG vorzuschlagen, um zu gewährleisten, dass ausreichend korrekte und vollständige Informationen über strukturierte Finanzinstrumente auf breiterer Basis zur Verfügung stehen;

25. hält es diesbezüglich für elementar wichtig, dass bei allen möglichen künftigen Maßnahmen Aspekte des Datenschutzes umfassend berücksichtigt werden;

26. denkt darüber nach, ob es nicht vorteilhaft wäre, die Emittenten zu verpflichten, den Inhalt und die Methoden hinter einem strukturierten Finanzinstrument mit einem Dritten zu diskutieren, der entweder ein unaufgefordertes Rating durchführt oder eine interne Risikobewertung entwickelt;

27. betont die Verpflichtung der Kommission gemäß Erwägung 5 der geänderten Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 in Bezug auf die Transparenz von Informationen; fordert die Kommission zur Durchführung der notwendigen Analyse auf, um dem Parlament und dem Rat im Rahmen der derzeitigen Prüfung der Verordnung (EG) Nr.  1060/2009 im Ergebnis mögliche Änderungsvorschläge zu der Rechtsvorschrift vorzulegen;

28. nimmt die von den Ratingagenturen 1 und 2 erzielten Fortschritte in den Bereichen Transparenz und Offenlegung zur Kenntnis; ermutigt die Kommission, eine Folgenabschätzung dieser Verordnungen im Zuge der Vollendung des Registrierungsprozesses für Ratingagenturen durchzuführen, um künftige Bereiche aufzuzeigen, in denen eine weiterreichende Offenlegung sich für die Nutzer als vorteilhaft erweisen könnte;

29. fordert neben einer verstärkten Transparenz des Ratingprozesses und dessen interner Prüfung eine entschlossenere Beaufsichtigung der Ratingagenturen durch die Aufsichtsbehörden der Union und eine eingehendere Beaufsichtigung der Verwendung von Ratings durch Finanzinstitutionen und deren Abhängigkeit davon durch die nationalen Aufsichtsbehörden;

Zwei obligatorische Ratings

30. ist der Auffassung, dass die Kommission in Erwägung ziehen sollte, ob unter gewissen Umständen die Durchführung von zwei obligatorischen Ratings etwa für strukturierte Finanzinstrumente und sämtliche für Regulierungszwecke eingesetzte externe Kreditratings angemessen ist, und ob das vorsichtigste bzw. ungünstigste externe Kredirating als Referenz für Regulierungszwecke herangezogen werden sollte; fordert die Kommission auf, eine Folgenabschätzung zur möglichen Durchführung von zwei obligatorischen Ratings vorzulegen;

31. ist der Ansicht, dass die Kosten beider Ratings vom Emittenten übernommen werden sollten und dass das erste externe Kreditrating von einer beauftragten Ratingagentur nach Wahl des Emittenten durchgeführt werden sollte, während für das zweite externe Kreditrating verschiedene Möglichkeiten für die Vergabe geprüft werden sollten, darunter auch eine mögliche Vergabe durch die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde auf der Grundlage von konkreten, festgelegten und objektiven Kriterien, wobei die Leistungen in der Vergangenheit berücksichtigt, die Einrichtung neuer Ratingagenturen unterstützt und gleichzeitig Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden sollten;

32. weist darauf hin, dass der gute Ruf nicht von einer Regulierungsstelle vorgeschrieben werden kann, sondern dass vielmehr jede neue Ratingagentur nur dann auf Akzeptanz stoßen wird, wenn es ihr gelingt, sich Glaubwürdigkeit zu verschaffen;

Ratings von Staatsschulden

33. ist sich der Tatsache bewusst, dass Marktakteure wegen der mit einer Anpassung von Ratings verbundenen hohen Kosten (in Bezug auf die Kauf- oder Verkaufsentscheidung) eine Abneigung gegenüber volatilen Kreditratings hegen; ist jedoch der Auffassung, dass deswegen eine Tendenz zu prozyklischen Ratings besteht, die hinter den Finanzmarktentwicklungen hinterherhinken;

34. stellt fest, dass Ratingagenturen eindeutige Kriterien zur Leistungsbewertung eines Landes zugrunde legen müssen; ist sich der Tatsache bewusst, dass das tatsächliche Rating keine mechanische Gewichtung der betreffenden Faktoren darstellt; fordert den Sektor auf, zu erläutern, welche Verfahren und Beurteilungen herangezogen werden, um die Ratings von Staatsschulden auszutarieren, und Abweichungen von entsprechenden modellbezogenen Ratings und von Prognosen der wichtigsten internationalen Finanzinstitutionen zu erklären;

35. stellt fest, dass dem IWF zufolge nahezu 70 % der CDS-Spreads Ratings geschuldet sein könnten; zeigt sich besorgt wegen der möglichen prozyklischen Auswirkungen von Ratings und fordert eine besondere Berücksichtigung dieser sensiblen Aspekte;

36. ist der Ansicht, dass im Hinblick auf eine Verringerung der durch Änderungen von Ratings bedingten negativen “Klippeneffekte” bei den Preisen und Margen die Regelung, mit der Kauf- oder Verkaufsentscheidungen an Ratings gekoppelt werden, abgeschafft werden sollte;

37. ist der Auffassung, dass – da fast alle Informationen über Staatsschulden in der Öffentlichkeit verfügbar sind – diese Informationen leichter, einheitlicher und vergleichbarer verfügbar gemacht werden sollten, damit größere und erfahrenere Marktakteure Anreize erhalten, sich bei der Bewertung der staatlichen Kreditrisiken auf ihr eigenes Urteil zu verlassen;

38. ist der Ansicht, dass in Anbetracht der möglichen Auswirkungen der Ratings von Staatsverschuldungen auf die Märkte die Transparenz bezüglich der Verfahren und Entscheidungsgründe sowie die Zuverlässigkeit von Ratingagenturen in diesem Bereich verbessert werden müssen; fordert eine Studie, in der die Einbeziehung der künftigen Europäischen Stiftung und der künftigen unabhängigen Europäischen Ratingagentur in dieses Rating geprüft wird;

39. unterstützt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der systemischen Auswirkungen, die eine Herabstufung in Bezug auf Staatsschulden bewirken kann, eine verstärkte Offenlegung und eine verstärkte Erläuterung der von den Ratingagenturen angewandten Verfahren, Modelle und wesentlichen Bewertungshypothesen;

Europäischer Rating-Index (EURIX)

40. vertritt die Auffassung, dass öffentlich verfügbare Informationen zum Durchschnitt der vorhandenen externen Kreditratings akkreditierter Ratingagenturen einen wertvollen Ansatz darstellen; regt deshalb die Einführung eines Europäischen Rating-Indexes (EURIX) an, der alle am Markt verfügbaren Ratings registrierter Ratingagenturen umfasst;

Mikroebene: Geschäftsmodell

Zahlungsmodelle

41. unterstützt die bestehenden verschiedenen Zahlungsmodelle in der Branche, weist jedoch darauf hin, dass die Gefahr von Interessenkonflikten besteht, denen durch angemessene Transparenz und regulatorische Maßnahmen begegnet werden muss, ohne dabei ein ungerechtfertigtes Modell aufzuerlegen; fordert die Kommission auf, auf Grundlage der jüngsten Konsultation Vorschläge für alternative rentable Zahlungsmodelle vorzulegen, die Nutzer und Emittenten einbeziehen; fordert die Kommission in dieser Hinsicht auf, der möglichen Anwendung des Modells des zahlenden Investors sowie seinen Vor- und Nachteilen besondere Aufmerksamkeit einzuräumen, um die Anfälligkeit von Ratings für Interessenkonflikte einzuschränken;

42. vertritt die Auffassung, dass eine ordnungsgemäße Verwaltung bei Ratingagenturen von entscheidender Bedeutung ist, um die Qualität der Ratings zu gewährleisten, und fordert von den Ratingagenturen eine umfassende Transparenz in Bezug auf die bestehenden Verwaltungsvereinbarungen;

Rechenschaftspflicht, Verantwortlichkeit und Haftung

43. hebt hervor, dass die ESMA für die Anwendung und Durchsetzung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 durch die Ratingagenturen verantwortlich ist; ist der Ansicht, dass externe Kreditratings, wenn sie einen Regelungszweck erfüllen, nicht als einfache Stellungnahmen eingeordnet werden sollten, und dass Ratingagenturen für die einheitliche Anwendung der ihren Kreditratings zugrundeliegenden Methodik rechenschaftspflichtig sein sollten; empfiehlt daher, dass die zivilrechtliche Haftung der Ratingagenturen bei grober Fahrlässigkeit oder Fehlverhalten in der gesamten EU auf einer einheitlichen Grundlage festgestellt wird und die Kommission Möglichkeiten ermitteln sollte, wie diese zivilrechtliche Haftung im Zivilrecht der Mitgliedstaaten verankert werden kann;

44. weist darauf hin, dass die letztendliche Verantwortung für die Investitionsentscheidungen bei dem Finanzmarktteilnehmer liegt, d. h. dem Vermögensverwalter, der Finanzinstitution oder dem erfahrenen Anleger; stellt fest, dass die Rechenschaftspflicht auch durch das von der Ratingagentur 1 eingerichtete Zentralregister (CEREP) weiter unterstützt werden wird, wobei diese Agentur standardisierte Informationen über die Rating-Leistung von in der EU registrierten Ratingagenturen veröffentlicht, so dass Investoren die Möglichkeit erhalten, ihre eigene Bewertung in Bezug auf bestimmte Ratingagenturen vorzunehmen und damit einen verstärkten leumundbezogenen Druck auszuüben; weist darauf hin, dass Investoren über effiziente Risikomanagementstrukturen verfügen sollten, die einer angemessenen Beaufsichtigung durch die Verwaltung unterliegen;

45. schlägt vor, dass jede registrierte Ratingagentur eine jährliche Überprüfung ihrer durchgeführten Ratings vornehmen und diese Information in einen Rechenschaftsbericht an die Aufsichtsbehörde aufnehmen sollte; schlägt vor, dass die Europäische Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde die Rechenschaftsberichte regelmäßig stichprobenartig überprüfen sollte, um einen hohen Qualitätsstandard der Ratings sicherzustellen;

46. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

Bitte teilen!