Sven Giegold

Antrag zur Grünen BDK übernommen: Für einen Europäischen Steuerpakt

Der Bundesvorstand der Grünen hat den von mir mitinitiierten Antrag für einen Europäischen Steuerpakt modifiziert übernommen.  Dies ist die modifizierte Fassung, die präziser ist, als der ursprüngliche Text.

Ein Steuerpakt für Europa

Der EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta berechnet, dass den EU-Mitgliedstaaten jedes Jahr etwa 1000 Milliarden Euro an Steuerzahlungen entgehen – durch legales Steuerdumping und illegale Steuerflucht. Eine Billion, die für den Abbau der Staatsschulden und Zukunftsinvestitionen fehlt. Wer angesichts dieser Zahlen das Problem einseitig auf der Ausgabenseite sucht, ist weiter auf dem marktradikalen Kurs unterwegs, der uns in die Krise geführt hat. Denn die Probleme liegen nicht nur auf der Ausgaben-, sondern auch auf der Einnahmeseite der öffentlichen Haushalte: die Vermögensbesteuerung in der EU befindet sich seit 2000 auf gleichbleibend niedrigem Niveau, der Anteil der unternehmensbezogenen Steuern ging in den letzten zehn Jahren um über 15% zurück, der Anteil der Kapitalertragsteuern um rund 10%. Das ist kein Wunder: der europäische Binnenmarkt hat die Grenzen für Unternehmen zu Fall gebracht, aber die Steuersysteme sind national geblieben. Das hat dafür gesorgt, dass heute fast jedes Land in der EU Steueroase eines anderen ist: niedrige Unternehmensteuern in Irland, Holding-Privilegien in Zypern und den Niederlanden, Steuergestaltung für vermögende Privatpersonen in Luxemburg, Sonderbehandlung von Kapitaleinkommen in Österreich, laxe Geldwäscheregeln in Deutschland.

Wir Grüne stellen dem das Ziel eines europäischen Steuerpakts entgegen, ein Bündnis zur Stärkung der Staatseinnahmen, damit nicht länger nur die Schwächsten der Gesellschaft für die Einhaltung des Fiskalpakts zahlen müssen. Dafür müssen die EU-Mitgliedstaaten endlich die Steuerbasis verbreitern. Der Zeitplan zur Einführung der Finanztransaktionsteuer, den wir in den Verhandlungen mit der Bundesregierung um den Fiskalpakt zusammen mit der SPD durchsetzen konnten, war dafür ein erster Erfolg. Wir wollen unseren Steuerpakt über die verstärkte Zusammenarbeit als Kooperation der Entschlossenen umsetzen, unter voller Beteiligung des Europaparlaments.

Der Steuerpakt hat vier Elemente: Er besteht erstens aus europaweit koordinierten Vermögensabgaben, die einen relevanten Beitrag zum Abbau der Verschuldung der Staaten leisten können. Denn die Vermögen der einen sind die Schulden der anderen: Staatsschulden sind auch Vermögen in Form von Staatsanleihen bei den Anlegern. Deshalb brauchen wir einen koordinierten Ausgleich zwischen öffentlichen Schulden und privaten Vermögen.

Zweitens geht es um einen klaren Zeitplan zur Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), die das Verschieben von Steuersubstrat in Niedrigsteuerländer unwirksam werden lassen würde. So kann verhindert werden, dass durch die Steuergestaltung großer, grenzüberschreitend tätiger Unternehmen in der EU die Steuerlast sich immer mehr auf kleine, standortgebundene Unternehmen verlagert. Alle Mitgliedstaaten werden sich daran nicht beteiligen. Deswegen setzen wir auf eine Koalition der Willigen. Zunächst soll es Mindeststandards für die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen innerhalb der EU und mit Drittstaaten geben, anschließend gemeinsame europäische Doppelbesteuerungsabkommen mit Drittstaaten. Das erspart den Unternehmen die bürokratische Last, Hunderte von Doppelbesteuerungsabkommen zu berücksichtigen, und erleichtert den Kampf gegen Steueroasen.

Wenn wir Steuerdumping verhindern wollen, brauchen wir auch einen Mindeststeuersatz für die Körperschaftsteuer. Unser Ziel ist, einen konkreten Pfad zu einem Mindeststeuersatz von 25% zu vereinbaren. Über einige Länder können Unternehmen und Privatpersonen Gewinne und Kapitalerträge steuerfrei in außereuropäische Steueroasen bringen. Das liegt auch daran, dass Quellensteuern innerhalb der EU durch die Mutter- Tochter-Richtlinie und die Zins-und-Lizenzgebühren-Richtlinie weitgehend abgeschafft wurden. Diese Richtlinien wollen wir zukünftig an Bedingungen knüpfen. Steuerdumping darf hierdurch in der EU nicht weiter legalisiert Außerdem sind Mindestquellensteuersätze für Zahlungen in Nichtmitgliedsländer anzustreben. Um Steuergestaltungen von Unternehmen transparent zu machen, treten wir für eine umfassende länderbezogene Berichterstattung (country-by-country-reporting) von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen ein.

Drittens geht es darum, das Unwesen der Steueroasen in Europa insgesamt zu überwinden. Dazu wollen wir eine europäischeDefinition von Steueroasen erstellen. Diese Definiton muss tatsächlich alle Niedrigsteuergebiete umfassen und zum Anknüpfungspunkt für Nachversteuerungen und Niederlassungsbeschränkungen in der Finanzmarktgesetzgebung werden, wie es das Europaparlament fordert. Frankreich belegt Finanzströme von Unternehmen in Steueroasen mit einer Strafsteuer um einen Anreiz zur Steuerehrlichkeit zu geben, das sollten die EU Staaten zur allgemeinen Regel machen. Die Steuerhinterziehung von Privatpersonen wollen wir durch einen umfassenden automatischen Informationsaustausch verhindern. Bereits seit 2008 liegt dafür die überarbeitete EU-Zinsrichtlinie vor, die den Informationsaustausch sachlich und räumlich ausdehnen würde. Doch gerade die Bundesregierung hat durch die Unterzeichnung des Steuerabkommens mit der Schweiz mit ihrem bilateralen Vorgehen dafür gesorgt, dass die Verhandlungen auf Eis liegen. Wir Grüne halten diesen Weg für falsch – stattdessen muss der Weg der EU-Verhandlungen weitergegangen und Druck auf Steueroasen ausgeübt werden. Wir fordern dazu auf EU-Ebene auch Möglichkeiten zur Beschränkung für die Geschäftstätigkeit von Banken, die wiederholt gegen Steuergesetze verstoßen haben oder Informationspflichten nicht nachkommen. Die USA haben dazu mit der Umsetzung des „Foreign Account Tax Compliant Act“ (FATCA) einen Weg aufgezeigt, dem die EU folgen sollte. Zum Kampf gegen Steueroasen gehört auch eine Regelung, die sicherstellt, dass sich Spitzenverdiener in Europa nicht durch eine Verlagerung ihres Wohnsitzes der Steuerpflicht entziehen können – denn auch sie haben davor jahrelang die Infrastruktur im Land ihrer Staatsbürgerschaft in Anspruch genommen.

Der vierte Teil des Steuerpakts bezieht sich auf die Besteuerung natürlicher Ressourcen. Sie ist immer noch so ungleichmäßig, dass es zu Tanktourismus und Verlagerung wegen anderer Steuerniveaus kommt. Die Verlierer sind die nationalen Haushalte und der Klimaschutz.Daher müssen die Mindeststeuersätze der Energiesteuerrichtlinie angehoben werden. Ausnahmen müssen weitgehend abgeschafft werden.

 

Einfügen nach Zeile 371.

Nummer des Antrags: E-01-371 – Europapolitik

AntragsstellerInnen: Gerhard Schick (KV Mannheim), Sven Giegold (KV Düsseldorf), Stefan Wenzel (KV Göttingen), Rebecca Harms (KV Lüchow-Dannenberg), Franziska Brantner (KV Heidelberg), Jan Philipp Albrecht (KV Wolfenbüttel), Barbara Lochbihler (KV Ostallgäu), Anna Cavazzini (KV Berlin-Mitte), Peter Alberts (KV Münster), Lisa Paus (KV Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf), Ulrich Steinbach (KV Mainz), Tobias Lindner (KV Germersheim), Sven-Christian Kindler (KV Hannover), Eike Hallitzky (KV Passau-Land), Rasmus Andresen (KV Flensburg), Suzan Ünver (KV Tübingen), Eugen Schlachter (KV Biberach/Riss), Zora Hocke (KV Frankfurt), Wolfgang G. Wettach (KV Tübingen), Andreas Bühler (KV Stuttgart) u.a.

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