Sven Giegold

Provisionsvertrieb verhindert gute Beratung für Alle

Im Plenum des Europaparlamentes wurde am 26. Oktober die Parlamentsposition zur Revision der MiFID Richtlinie abgestimmt. In der korrespondierenden Ausschussabstimmung dazu kam es Ende September zu einem unerwarteten Ergebnis und einem herben Rückschlag für den Verbraucherschutz. Bis zur letzten Minute stand der von uns eingebrachte Kompromiss, dass Verkaufsprovisionen verboten werden oder von Banken und Vermittlern an die Investoren weitergegeben werden müssen. Der Interessenkonflikt zwischen Finanzberatern und ihren Kunden wäre damit weitestgehend gelöst. Alle VerhandlungsteilnehmerInnen waren bereit dies zu unterstützen. Ein mündlicher Änderungsantrag der Sozialdemokraten direkt vor der Abstimmung hat aber ermöglicht, dass eine Offenlegung der Provisionen ausreicht. Die ursprüngliche Verhandlungsposition wäre ein vernünftiger Schritt gewesen, die christdemokratisch-konservative EPP-Fraktion ist den von den Sozialdemokraten geebneten Weg aber gerne gegangen und damit stand im Ausschuss die Mehrheit gegen den Verbraucherschutz.

Der provisionsgetriebene Vertrieb hat eine einflussreiche Lobby: Banken, Versicherungen, Strukturvvertriebe und etliche andere Finanzanbieter verteidigen die fragwürdigen Anreize. Dabei argumentieren sie regelmäßig, dass nur durch Verkaufsprovisionen Beratung für die Anleger kleiner und kleinster Vermögen möglich würde. Denn Honorarberatung würde sich nur für AnlegerInnen mit etwa 50.000 € lohnen. Wir halten dieses Argument für eine Verschleierung der Probleme.

Eine Studie der Goethe Universität Frankfurt (1) hat festgestellt, dass die Portfolios von Anlegern, die nicht beraten wurden, im Durchschnitt besser entwickelt haben, als die von Anlegern, die beraten wurden. Der Grund dafür waren die Fehlanreize durch Verkaufsprovisionen. Auch wenn die Basis für diese Studie eventuell erfahrenere Anleger waren, bleiben die perversen finanziellen Anreize für die Berater der Grund für die Fehlberatung. Es ist nicht ersichtlich, warum sich Berater gegenüber unerfahrenen Kleinanlegern besser verhalten sollten. Es ist eher zu befürchten, dass in diesem Bereich die Zustände noch deutlicher im Argen liegen.

Der durch Fehlberatungen entstehende jährliche Schaden wird von der Verbraucherzentrale Badenwürtemberg aufein bis zwei Prozent des Geldvermögens der Deutschen, d.h. auf 49 – 98 Milliarden Euro geschätzt. Diesem Schätzwert liegen Erkenntnisse aus der Marktbeobachtung zugrunde, die auf möglichen Einsparungen durch eine bedarfsgerechte Produkt- und Anbieterauswahl basieren. (s.a.: http://www.vz-bawue.de/mediabig/158541A.pdf)

Darüber hinaus konnte uns noch kein Befürworter der Verkaufsprovisionen ernsthaft erklären, welche Gruppe von armen Kleinanlegern genau von der Provisionsberatung profitieren soll. Wenn die Anleger wirklich sehr wenig Geld haben, wird jeder verantwortungsvolle Berater empfehlen keine Finanzprodukte zu kaufen, sondern Schulden abzubauen und darüber hinaus möglichst gute Konditionen für eine vernünftige Liquiditätsreserve zu finden. Genau dieser Rat ist für Provisionsberater aber nicht lukrativ. Durch die Provisionsberatung wird also ein Anreiz geschaffen, Kundinnen und Kunden gegen ihr Interesse in Finanzprodukte zu treiben. Zum Vergleich von Tagesgeldkonten braucht darüber hinaus die Mehrheit keinen Berater. Viele AnlegerInnen mit mittleren Anlagebeträgen wurden dagegen oft in erhebliche Vermögensverluste getrieben. Offene Immobilienfonds, Abschreibungsfonds im Zuge der deutschen Wiedervereinigung, fragwürdige Zertifikate, usw. wurden alle im provisionsgetrieben in den Markt gebracht. Für diese Gruppe braucht es eine Finanzberatung, die tatsächlich auf Seiten des Kunden steht und trotzdem bezahlbar ist.

Ein dritter Grund gegen die Provisionsberatung, gerade im Bereich der echten Kleinanleger ist ihre Auswirkung auf Produktentwicklung. Es gibt für Produktentwickler keinen Anreiz günstige, simple und standardisierte Produkte zu entwerfen, da sich nicht die für den Anleger, sondern die für den Vermittler lukrativen Produkte am besten verkaufen. Sicherlich gibt es Beraterinnen und Berater, die gegen die kurzfristigen finanziellen Interessen ihres Instituts, guten Service liefern. Generell gilt aber: Werden Provisionen gezahlt, müssen diese vom Produktentwickler an irgendeiner Stelle auch verdient werden. Deshalb werden die Kosten für die Verkaufsprovision in die Verwaltungskosten, Transaktionskosten oder Gewinnbeteiligungen der Produkte mit einkalkuliert. Gerade für Kleinanleger brauchen wir aber Produkte, bei denen diese Kosten so gering wie möglich gehalten werden. Solange wir es nicht schaffen ein Provisionsverbot durchzusetzen, gibt es für die Finanzindustrie aber keinen Anreiz dafür, solche Produkte auf den Markt zu bringen.

Es ist bitter, dass das Europaparlament der provisionsgetriebenen Beratung trotz überwältigender schlechter Erfahrungen weiterhin den Weg ebnet. Weltweit geht der Trend aber in Richtung Provisionsverbot: Großbritannien, Niederlande, Dänemark, Australien… verbieten Provisionen oder schränken sie ein. Für diejenigen, für die sich Honorarberatung nicht lohnt, existieren bessere Alternativen oder werden sie aufgebaut.

Verbraucherorganisationen bieten bereits heute professionelle Beratung an, z.B. die Finanzberatung der Verbraucherzentralen in Deutschland. In Großbritannien müssen Banken Gebühren an den Finanzaufseher bezahlen und damit eine unabhängige Finanzberatung finanzieren: https://www.moneyadviceservice.org.uk/?locale=en

In Schweden bietet der Staat bietet den „Swedish National Pension Funds“, einen profitablen Fonds, der kostengünstig und professionell gemanagt wird, um vor allem für das Alter vorzusorgen: Der Fonds erscheint für die AnlegerInnen ungleich besser als die oft schwachen Erträge aus den provisionsgetrieben in den Markt gebrachten Riester-Fonds in Deutschland.

Provisionsgetriebener Finanzvertrieb ist also nicht alternativlos.

In Europa kann das Thema auch nicht einfach den Mitgliedsländern überlassen werden. Schon jetzt werden in Großbritannien provisionsgetrieben per Telefon und Internet aus Irland verkauft, um die kommenden Regeln der Briten zu umgehen. Das gleiche wäre in Deutschland oder Österreich zu befürchten, wenn in einem Einzelland alleine geredet würde. Im Binnenmarkt brauchen wir für VerbraucherInnen starke gemeinsame Regeln, wie es der EU-Vertrag vorsieht. Es ist bitter, dass das Subsidiariätsprinzip hier wieder einmal als Vorwand genutzt wird, starke Regeln abzuwehren.

(1) Hackethal, Andreas; Haliassos, Michael and Jappelli, Tullio; Financial Advisors: A Case of Babysitters? (March 01, 2011). Available at SSRN: http://ssrn.com/abstract=1360440

Rubrik: Wirtschaft & Währung

Bitte teilen!