Sven Giegold

Meilenstein für die Eurozone: Bei der Kontrolle der Haushaltspläne findet sich die Kommission in ihrer neuen Rolle

Die Finanzminister der Mitgliedsstaaten der Eurozone (Eurogruppe) haben heute zum ersten Mal die Stellungnahmen der Kommission zu den Haushaltsentwürfen der Mitgliedsländer diskutiert. Diese Position der Kommission und die darauf folgende Diskussion der Finanzminister ist ein neuer Abschnitt des Europäischen Semesters. Das im März diesen Jahres verabschiedete Zweierpaket räumt der Kommission das starke Recht ein, die Haushaltsentwürfe der Mitgliedsstaaten zu analysieren. Dabei untersucht die Brüsseler Behörde, ob die eingereichten Informationen zum Haushalt den Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts entsprechen. Außerdem hat die Kommission bewertet, wie viel Einsatz die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Reformvorgaben des Europäischen Semesters gezeigt haben, sofern die Reformempfehlungen Konsequenzen im Haushalt nötig machen. Mit dieser neuen Phase des Semesters wollen Mitgliedsstaaten und Kommission die Fiskalpolitik der Länder besser koordinieren und gegenseitig kritisch bewerten.

Die Stellungnahmen der Kommission und die Diskussion der Eurogruppe kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament und Grünes Mitglied der Sherpa-Gruppe des Europaparlaments:

“Im ersten Durchgang der neuen Haushaltsplan-Etappe des Europäischen Semesters hat die Kommission gut Fuß gefasst. Sie nutzt die kürzlich erhaltene Macht und vergleicht die Reformbemühungen der Mitgliedsländer im Europäischen Semester. Erstmals macht es die Kommssion leicht, Reformmuffel und -musterschüler zu unterscheiden.

So macht die Kommission deutlich, dass Deutschland bei der Umsetzung der Reformempfehlungen des Europäischen Semesters bisher keinerlei Fortschritte gemacht hat: Die oft als “wirtschaftspolitischer Musterschüler” titulierte Bundesrepublik belegt in der “Reformtabelle” der Kommission von allen Mitgliedsstaaten der Eurozone den letzten Platz. Ihr Budgetplan ignoriert die zentralen Empfehlungen der Kommission (Country specific reforms) für mehr Investitionen in Bildung und Forschung, Verringerung der Abgabenlast für Geringverdiener sowie für effizientere Steuererhebung. Die neue Regierung muss deshalb nachsitzen und noch einmal in Brüssel vorsingen.

Mit diesem Schritt verabschiedet sich die Brüsseler Behörde von ihrer zaghaften Kritik am wirtschaftspolitischen Schwergewicht der Eurozone. Anstatt  in einer Menge einzelner Dokumente verklausulierte Bewertungen abzugeben, traut sich die Kommission jetzt die Reformanstrengungen übersichtlich in einer Tabelle darzustellen. Mit dieser verbesserten Transparenz kommt sie einer oft geäußerten Grünen Forderung nach.

Leider hält die Kommission diese klare Kante nicht in allen Belangen der neuen Semester-Etappe durch. Anstatt den von Italien eingereichten und auf äußerst groben Zahlen basierenden Haushaltsentwurf zurückzuschicken, beließ es die Kommission bei einer bürokratisch formulierten Ermahnung. Auch beim knapp kalkulierten Budgetentwurf der französischen Regierung hat die Kommission ein Auge zugedrückt. Ebenso scheute die Kommission davor zurück, Frankreich und Italien ihre Haushaltspläne zurückzuschicken. Beide können nicht plausibel darlegen, woher genau die Mehreinnahmen oder Einsparungen kommen sollen, um die europäisch vereinbarten Budgetziele zu erreichen.

Unter dem Strich hat Brüsseler Behörde in diesem Abschnitt des Europäischen Semester mehr politische Energie als in der Vergangenheit an den Tag gelegt. Da eine effektive demokratische parlamentarische Kontrolle der Kommission in diesem Bereich immer noch fehlt, bleibt ihr Legitimationsproblem weiterhin bestehen. Erst wenn das Europaparlmemt echte Mitspracherechte beim Europäischen Semester erhält, wird die Lücke geschlossen.“

Reformtabelle der Kommission zur Umsetzung der Reformempfehlungen des Europäischen Semesters 2013

(Siehe die beiden Spalten auf der rechten Seite unter der Überschrift „Overall compliance with the fiscal-structural reforms suggested in 2013 CSRs)

Meinen Beitrag mit der Forderung für mehr Transparenz bei den Bewertungen der Reformbemühungen der Mitgliedsstaaten durch die Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters finden Sie hier: http://bit.ly/14ed8Av

Alle von den Mitgliedsstaaten bei der Kommission eingereichten Haushaltspläne finden Sie hier: http://bit.ly/18z9kg

Rubrik: Meine Themen, Wirtschaft & Währung

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