Sven Giegold

Handelsblatt Gastbeitrag:
„Barnier denkt immer mehr an seine eigene Karriere“

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Handelsblatt online,  GASTBEITRAG, 17.02.2014:

„Die CDU ist Sprachrohr der Schattenbank-Lobby“

von Sven Giegold

In Sachen Bankenregulierung gibt sich Wolfgang Schäuble in der Öffentlichkeit streng. Doch im Europaparlament hintertreiben seine eigenen Parteifreunde und FDP-Abgeordnete seine Initiativen gegen Schattenbanken.

Schattenbanken waren einer der wichtigsten Brandbeschleuniger während der Finanz­krise. Das Vermögen dieser weitgehend unregulierten und intransparenten Branche wird auf über 50 Billionen Dollar geschätzt, fast soviel wie die jährliche Wirtschaftsleistung der gesamten Weltbevölkerung.

Unter diesen oft polemisch genutzten Begriff fallen allerdings auch viele respektable und wichtige Institutionen wie Geldmarktfonds oder sogar Versicherungen. Angesichts verschärfter Regeln für Banken drängen diese in das klassische Bankengeschäft: Diese sogenannten CNAV-Fonds nehmen kurzfristig kündbare Kundengelder an, für die sie einen festen Wert garantieren, genau so wie auf einem klassischen Bankkonto. Und sie nutzen die Gelder, um Kredite zu vergeben. Die Kredite haben Ausfallrisiko und vor allem sind sie nicht täglich kündbar so wie die Kundengelder.

Genauso wie bei Banken entsteht daher leicht das Risiko einer Panik. Es entsteht ein Gerücht, dass ein Geldmarktfonds in Schieflage kommen könnte. Kunden ziehen ihre Gelder ab. Dies zwingt den Fonds dazu, seine Vermögensgegenstände überstürzt zu liquidieren. Damit fallen die Werte der Vermögensgegenstände nicht nur bei diesem sondern auch bei anderen Fonds. Das Gerücht verstärkt sich und ein Massenansturm setzt auf alle Geldmarktfonds ein. Da Geldmarktfonds eine essentielle Finanzierungsquelle für viele Banken und Unternehmen sind, kann eine solche Panik die gesamte Wirtschaft in eine Krise stürzen.

Genau das ist in den USA, wo Schattenbanken schon viel verbreiteter als in Europa sind, während der Finanzkrise passiert. Als im September 2008 der älteste amerikanische Geldmarktfonds zahlungsunfähig wurde, musste die US Regierung die Guthaben aller Geldmarktfonds – Billionen von US Dollar – unter Staatsgarantie stellen. Nur diese extrem radikale Maßnahme konnte eine Kernschmelze der amerikanischen Wirtschaft verhindern. Das marktwirtschaftliche Haftungsprinzip wurde wieder einmal außer Kraft gesetzt. Die USA haben daraus gelernt. Dort werden inzwischen auch Schattenbanken hart reguliert. Geldmarktfonds dürfen nicht mehr so tun, als seien sie Banken. Sie dürfen ihren Kunden nicht mehr versprechen, dass ihre Einlagen immer genau wie auf einem Bankkonto einen festen Wert haben. Schließlich ist ein Fonds ein Fonds. Und Fonds haben schwankende Werte. Jeder, der einmal einen Fonds gekauft hat, weiß das.

Genau diese Schlussfolgerung hat auch der Europäische Ausschuss für Finanzmarktstabilität (ESRB) für Europa gezogen. Der Verwaltungsrat des ESRB, also keine Geringeren als u.a. die 28 Präsidenten der Zentralbanken der Mitgliedsländer, hat sich unmissverständlich zu diesem Thema geäußert und eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen, Fonds zu verbieten, feste Rückkaufswerte zu garantieren. Wer sollte in Europa auch eine Staatsgarantie über die 1.000 Milliarden Euro schweren Geldmarktfonds aussprechen, wenn es zur Krise käme. Auch der internationale Financial Stability Board (FSB) hat diese Empfehlung abgegeben.

„Billige Lösungen kommen leider meist teuer“

Finanzmarktkommissar Michel Barnier denkt leider nicht mehr an Finanzmarktstabilität, sondern immer mehr an seine eigene Karriere nach der Europawahl. Er will sich nicht mehr mit dem Finanzsektor anlegen und hat daher die Empfehlung des ESRB stark verwässert. Anstatt eines klaren Verbotes dieser garantierten Rückkaufswerte, hat er sich einen Kapitalpuffer von 3% für diese Fonds ausgedacht. Angeblich hätten nur drei Fonds während der Krise mehr als 3% an Wert verloren. Das mag zwar sein. Nur dass die US Regierung mit ihrem globalen staatlichen Schutzschirm rechtzeitig das Schlimmste verhindert hat, verschweigt er dabei.

Daher hatten sich letzten Herbst in einem selten Akt der Eintracht der französische Finanzminister Moscovici und Wolfgang Schäuble per Brief an Barnier gewandt und ihn aufgefordert, feste Rückkaufswerte zu verbieten. Natürlich wurde der Brief vom BMF an die deutsche Presse gegeben. So kann man sich der deutschen Öffentlichkeit als harter, stabilitätsbewusster Finanzminister geben. Nur, anstatt seinen Worten Taten folgen zu lassen, lässt Schäuble seine Parteifreunde im Europaparlament den Kommissionsvorschlag noch weiter verwässern. Nicht nur sollen jetzt CNAVs erlaubt bleiben, sondern selbst der minimale Puffer von 3% soll nicht eingeführt werden.

So machen sich Wolf Klinz von der FDP und Burkhard Balz von der CDU im Finanzausschuss des Europaparlaments zum Sprachrohr der Schattenbank-Lobby anstatt für das Gemeinwohl zu streiten. Vielleicht hat Kollege Balz schon wieder vergessen, was er sich als Leitfaden auf seine Website geschrieben hat: „Wirtschaft und Politik sind zwei Seiten derselben Medaille. Was ökonomisch sinnlos ist, kann politisch auf Dauer nicht richtig sein” und “Billige Lösungen kommen meist teuer.”

Vielleicht kann Herr Schäuble ja noch dafür sorgen, dass seine Parteifreunde das ökonomisch einzig richtige verfolgen: Wer so agiert wie eine Bank, muss auch so reguliert werden wie eine Bank. Alles andere wird uns erneut in die Krise stürzen. Billige Lösungen kommen leider meist teuer. Daher müssen, so wie vom ESRB und von Herrn Schäuble gefordert, feste Rückkaufswerte für Geldmarktfonds in Europa verboten werden und nicht die Minimalforderungen von Herrn Barnier noch weiter verwässert werden.

 

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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