Sven Giegold

Süddeutsche: Versteckte Staatshilfen für Großbanken

Eine Studie der Grünen zu versteckten Staatshilfen finden Sie unter folgendem Link: Implicit subsidies in the EU banking sector.

Meine Einschätzung zu diesem Thema finden Sie hier.

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Süddeutsche Zeitung, 27.01.2014

Versteckte Staatshilfen für Großbanken

Systemrelevante Institute finanzieren sich günstiger, weil sie im Ernstfall gerettet werden. Eine neue Studie beziffert diesen Vorteil in Europa seit 2008 auf 1,33 Billionen Euro

Von Harald Freiberger

Frankfurt – Europas Großbanken haben seit Ausbruch der Finanzkrise indirekte Staatshilfen in Billionen-Höhe erhalten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Grünen im Europäischen Parlament in Auftrag gegeben haben und die der SZ vorliegt. Die Studie errechnet erstmals eine Gesamtsumme für die Vorteile, die sich für große Banken daraus ergeben, dass sie systemrelevant sind und Staaten sie im Falle einer Insolvenz retten müssen. Dadurch können sich solche Banken günstiger finanzieren als kleinere Institute: Wenn sie eine Anleihe herausgeben, zahlen sie Anlegern dafür niedrigere Zinsen, da für diese das Risiko entfällt, dass die Bank pleitegeht und die Anleihe nicht zurückgezahlt wird. Es kommt einer kostenlosen staatlichen Garantie gleich.

Mit einem Fachbegriff werden diese Vorteile „implizite Staatshilfen“ genannt – im Unterschied zu expliziten, direkten Staatshilfen, die fließen, wenn die Pleite einer Bank unmittelbar bevorsteht. In der Finanzkrise war das zum Beispiel bei der IKB, der Commerzbank und der Hypo Real Estate der Fall.

Die Studie der Grünen beziffert die impliziten Staatshilfen für Großbanken in Europa von 2008 bis 2012 auf die enorme Summe von 1,33 Billionen (1330 Milliarden) Euro. Errechnet wurde sie, indem die Studie mehrere vorhandene wissenschaftliche Untersuchungen zusammenfasste. Wichtigste Grundlage waren dabei die unterschiedlichen Noten, die Rating-Agenturen großen Banken geben, je nachdem ob sie das Institut allein bewerten oder den dahinter stehenden Staat mit einbeziehen. Das Rating inklusive Staat fällt in der Regel einige Stufen besser aus. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die zeigen, wie sich diese unterschiedlichen Bonitätsnoten während der Finanzkrise in Zinsvorteilen für Anleihen von Großbanken in der EU niedergeschlagen haben. Die Studie der Grünen führt die Ergebnisse zusammen.

Auf diese Weise kommt die Studie für jedes Jahr seit 2008 auf einen konkreten Zinsvorteil für Großbanken gegenüber kleineren Instituten. Im Jahr 2012 lag dieser zum Beispiel bei 0,89 Prozentpunkten. Übertragen auf alle langfristigen Anleihen von Großbanken entsprach dies allein 2012 rund 234 Milliarden Euro. In den anderen Jahren lag der Vorteil zwischen 208 und 320 Milliarden Euro. Zusammengerechnet ergibt sich die Summe von 1,33 Billionen Euro.

„Implizite Staatshilfen schaffen enorme Marktverzerrungen und sind daher von höchster politischer Brisanz“, sagt der belgische Grünen-Europaabgeordnete Philippe Lamberts. Große Banken gingen höhere Risiken ein, weil sie wüssten, dass der Staat sie im Notfall rette. Sie hätten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber kleineren Instituten. Außerdem führten die impliziten Hilfen dazu, dass Geld von der Realwirtschaft und von Steuerzahlern zu den Banken verschoben werde. Die Politik müsse diese verdeckten Hilfen verhindern.

Das beste Mittel dazu ist nach Ansicht der Grünen ein Trennbanken-System, wie es für die EU die Liikanen-Kommission vorgeschlagen hat. Danach würden die riskanten Teile einer Bank – das Investmentbanking mit dem Wertpapierhandel – von den weniger riskanten Teilen – den Einlagen der Sparer – getrennt. Beide Bereiche müssten sich dann gesondert finanzieren, also jeweils eigene Anleihen herausgeben. Zudem ließe sich der riskante Bereich leichter abwickeln, da dann kein Sparergeld mehr bedroht wäre. „Das würde zu einer gerechteren Bepreisung der Anleihen führen, die implizite staatliche Garantie entfiele“, sagt der deutsche Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. Durch ein Trennbanken-System werde die Abwicklung von Großbanken bei einer Pleite für Investoren glaubwürdiger.

Giegold wirft der Bundesregierung vor, „seit Jahren EU-Maßnahmen gegen die indirekte Subventionierung von Großbanken zu hintertreiben“. So habe sie die Liikanen-Vorschläge wiederholt behindert. In der deutschen Abwicklungsrichtlinie gebe es etwa das Schlupfloch der „präventiven Rekapitalisierung“; wenn eine Großbank ihre Probleme früh genug anzeige, werde sie am Ende doch mit Steuergeld gerettet. Die Investoren wüssten das, deshalb bleibe es bei den impliziten Staatsgarantien. „Es ist bemerkenswert, dass eine Bundesregierung, die sich der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet fühlt, gegen solche Subventionen nicht vorgeht“, sagt Giegold. Der unfaire Wettbewerb bevorzuge Institute wie die Deutsche Bank auf Kosten von Sparkassen und Genossenschaftsbanken.

Der belgische Abgeordnete Lamberts kritisiert speziell die Deutsche Bank. „Sowohl der frühere Chef Josef Ackermann als auch der aktuelle Co-Chef Jürgen Fitschen brüsteten und brüsten sich damit, sie hätten keine Staatshilfe gebraucht“, sagt er. Die Aussage sei gleich dreifach irreführend. Zum einen habe die Rettung des US-Versicherers AIG der Bank Verluste von rund zehn Milliarden Euro erspart, zum anderen wären Abschreibungen in Südeuropa fällig gewesen, wenn die EU nicht eingesprungen wäre, und zum Dritten profitiere die Deutsche Bank von den impliziten Staatshilfen.

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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