Sven Giegold

Europa muss vereint bleiben – Nein zum deutschen Grexit-Plan!

Die Europäische Einigung ist bedroht. Erstmals in 60 Jahren setzt sich die deutsche Bundesregierung für einen Rückschritt in der europäischen Einigung ein. Wir dürfen nicht akzeptieren, dass sich nationale Egoismen durchsetzen und Europa scheitert. Meine dringende Bitte: Jetzt müssen alle, die das europäische Projekt und ein europäisches Deutschland wollen, aus der Deckung kommen und Farbe bekennen.

Die deutsche Bundesregierung muss ihre europaskeptische Geisterfahrt sofort stoppen. Sie hat in einem Vorschlag für die Eurogruppe plötzlich den Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone ins Gespräch gebracht. Mit ihrem unverantwortlichen Vorgehen setzt sie die historische europäische Einigung aufs Spiel. Zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik setzt sich eine deutsche Bundesregierung für weniger, statt für mehr Europa ein. Sie kündigt dabei zwei Grundkonstanten deutscher Politik auf: Erstens, die enge Abstimmung mit Frankreich bei wichtigen Fragen sowie die transatlantische Zusammenarbeit. Denn beide Länder sind gegen einen Grexit. Die große Koalition spaltet, statt zu einen. Es gilt jetzt, eine Spaltung der Eurozone in Nord und Süd zu verhindern. Deutschland darf weder in das Lager der Europaskeptiker rutschen, noch darf es zum Zuchtmeister Europas werden.

Dieser Vorstoß war nicht einfach eine einsame Aktion von Wolfgang Schäuble, der schon lange Griechenland lieber außerhalb des Euros sähe. Vielmehr waren Bundeskanzlerin Merkel und Sigmar Gabriel eingebunden. Allerdings war diese entscheidende Positionsänderung nicht in der Bundesregierung abgestimmt. Es ist eine große Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die eine Rettung Griechenlands verhindern will. An ihrer Blockade und an Vizekanzler Gabriel droht Europa nun zu scheitern. Die ehemaligen „Europaparteien“ CDU/CSU sind dabei, ihr europapolitisches Ansehen mit populistischen Äußerungen zu verspielen und das europapolitische Erbe von Adenauer und Kohl zu verramschen. Umso irritierender ist das Agieren der SPD. Sigmar Gabriel hätte hier ein Machtwort sprechen und den deutschen Grexit-Plan verhindern müssen. Dass er das nicht getan hat, zeigt seinen Mangel an Rückgrat und Orientierung in zentralen Fragen. Die SPD steckt in einer schweren Führungskrise. Dieser Vorsitzende ist eine große Last für die Sozialdemokratie.

Wir haben das kurze Papier der Bundesregierung bereits gestern geleakt. Lesen Sie es selbst nach: http://gruenlink.de/zcl

Das nicht einmal einseitige Papier ist die europapolitische Bankrotterklärung der Bundesregierung. Schäubles Forderung bedeutet nicht weniger als die Einführung einer Fremdverwaltung für Griechenland durch einen Treuhandfonds und Beamte der EU-Kommission. Wenn Griechenland das nicht akzeptiert, soll der Grexit kommen.

Die Bundesregierung irrlichtert damit nicht nur europapolitisch, sondern auch haushaltspolitisch. Ein Grexit wäre die denkbar teuerste Lösung auch für Deutschland und den Rest der Eurozone. Für Griechenland bedeutet ein Grexit eine noch tiefere soziale und wirtschaftliche Katastrophe. Die Bundesregierung verletzt mit ihrem Vorgehen auch die demokratischen Rechte des Parlaments. Sie hat dem Bundestag keine Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben. Denn wichtige europapolitische Weichenstellungen müssen vorher dem Bundestag zur Stellungnahme gegeben werden. Dieses Vorgehen ist verfassungswidrig. Wir werden das der Bundesregierung nicht durchgehen lassen.

Hier findet Ihr/finden Sie den Beitrag meines Kollegen im Bundestag. Sven-Christian Kindler hat das skandalöse Vorgehen des Finanzministeriums aufgedeckt:
http://gruenlink.de/zcm

Es ist deshalb auch völlig richtig, dass unsere Fraktionsvorsitzenden den Gang vor das Bundesverfassungsgericht ankündigen. Hier ist ihre Pressemitteilung zu finden:
http://gruenlink.de/zcn

Das Gepokere um die Zukunft Griechenlands muss endlich ein Ende nehmen. Die gebeutelte griechische Bevölkerung braucht eine sichere Perspektive. Es kommt jetzt darauf an, dass nun Alle die Verhandlungen um einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone besonnen weiter führen. Die griechische Regierung hat am Donnerstag einen Vorschlag für Reformen vorgelegt, der von den Institutionen (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) als gute Verhandlungsgrundlage gewertet wurde.

Eine Gegenüberstellung der Forderungen der Geldgeber und den Reformvorschlägen der griechischen Regierung findet Ihr/finden Sie hier: http://gruenlink.de/zco

In der Tat haben Ministerpräsident Tsipras und seine Regierung selbst europäisches Porzellan zerschlagen und damit Vertrauen verspielt. Das Referendum hat Tsipras‘ Position in Griechenland gestärkt, aber seine Verhandlungsposition gegenüber den europäischen Institutionen geschwächt. Der abrupte Abbruch der Verhandlungen durch die griechische Regierung zu Gunsten des Referendums hat die Verhandlungspartner sicherlich Nerven gekostet. Nun ist insbesondere die Bundesregierung gefordert, nicht trotzig zu reagieren. Europa ist vielmehr, wenn man trotz alledem nach Kompromissen und Gemeinsamkeiten sucht. Sie darf sich nicht länger damit rausreden, dass das Vertrauen in Tsipras‘ Leute zerstört sei, sondern muss die Vorschläge inhaltlich bewerten. Die griechische Regierung ist den Gläubigern fast auf ganzer Linie entgegengekommen. Ihr jüngstes Angebot übernimmt auf breiter Linie die Forderungen der Troika, insbesondere bei Renten und Mehrwertsteuer. Das wirft die Frage auf, wozu dann das Referendum eigentlich gut war, in dem ein sehr ähnlicher Vorschlag der Gläubiger abgelehnt wurde. Die Breite der Zustimmung im griechischen Parlament macht klar, dass das Referendum zur Einigung in Griechenland führte. Daher werden sich die Bürgerinnen und Bürger in Griechenland nun schon verschaukelt fühlen. Ökonomisch ist das Paket in einer Phase wirtschaftlicher Stagnation und Krise krisenverschärfend, pro-zyklisch. Nur wenn gleichzeitig ein Investitionsprogramm, wie im Green New Deal, vereinbart wird und Erleichterungen bei den Schulden hinzukommen, kann noch mehr Arbeitslosigkeit vermieden werden. Hier darf die deutsche Bundesregierung nicht länger blockieren. Die Bundeskanzlerin muss nun endlich etwas für Europa riskieren und ihr politisches Kapital einsetzen, auch in ihrer eigenen Fraktion die Mehrheiten für eine kluge Einigung zu sichern.

Europa brennt derzeit in mehreren Himmelsrichtungen: Grexit, Brexit, die Egoismen in der Flüchtlingspolitik im Mittelmeer, usw. Deutschlands Rolle muss bleiben, die europäische Einigung zu stärken. Die Bundesregierung ist aber dabei, die europäische Integration zu verzocken. Es braucht nun breites, zivilgesellschaftliches Engagement. Alle, die die europäische Einigung wollen, müssen jetzt laut werden! Wir müssen dem nationalen Gebären von Schäuble, Merkel und Gabriel eine klare proeuropäische Antwort entgegensetzen.

Bitte unterstützt/unterstützen Sie unseren Einsatz für die europäische Einigung, indem Sie diesen Beitrag verbreiten. Herzlichen Dank!

 

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Rubrik: Wirtschaft & Währung

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