Sven Giegold

Quantitative Easing: Draghi muss Ausputzer für tatenlose Euroländer spielen

Nachdem im Dezember die Inflationsrate im Euroraum erstmals unter Null gerutscht ist, diskutiert die Europäische Zentralbank (EZB) heute mögliche Leitlinien für den Aufkauf von Anleihen am Sekundärmarkt, dem Markt für bereits in Umlauf befindliche Wertpapiere. Diese sogenannte monetäre quantitative Lockerung (engl. Quantitative Easing) kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

 

“Draghi muss den Ausputzer für die tatenlosen Euroländer spielen. Die EZB handelt aus Notwehr gegen die drohende Deflation. Um ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren, darf die EZB nicht dauerhaft ihr Inflationsziel verfehlen. Denn das wichtigste Kapital einer Notenbank ist ihre Glaubwürdigkeit. Die Senkung der Zinsen bei längeren Laufzeiten hilft zudem, die wirtschaftliche Lage in den Krisenländern zu stabilisieren.

Sollten die nationalen Notenbanken Staatsanleihen aufkaufen, ändert dies nichts daran, dass damit gemeinsame Risiken für alle Euroländer eingegangen werden. Wenn die EZB die Zinsen bei langen Laufzeiten beeinflussen will, so sollte sie selbst die Regie im Rahmen eines gemeinsamen Programms übernehmen. Nur dadurch wird die Gemeinschaftshaftung transparent.

Der Aufkauf von Staatsanleihen ist nötig, weil die Regierungen der Euroländer ihre Arbeit nicht machen. Wer sich gegen expansive Geldpolitik ausspricht, darf sich nicht länger Investitionen verweigern. Die Verwerfungen innerhalb der Eurozone mit Massenarbeitslosigkeit im Süden und Investitionsblockade in Deutschland erfordern eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. Von dieser muss eine neue wirtschaftliche Dynamik in Europa ausgehen, mit Investitionen in Klimaschutz, Bildung und Armutsbekämpfung.

Ein nachhaltiges großes Investitionsprogramm in Zukunftsprojekte wie Klimaschutz und Bildung würde die Nachfragelücke effektiv bekämpfen und der Deflation Einhalt gebieten. Der Juncker-Plan geht zwar in die richtige Richtung, ist aber nicht konsequent genug.

Kanzlerin Merkel sollte jetzt für einen Richtungswechsel in der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik sorgen. Es ist scheinheilig, wenn Merkel nicht konstruktiv an der Bekämpfung der Krise mitarbeitet und stattdessen die zweite Reihe ihrer Partei gegen die EZB polemisieren lässt. Gerade wenn man gegen Staatsfinanzierung durch die Zentralbank ist, muss man entschieden für eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa eintreten.

Wenn die extreme Arbeitslosigkeit in den Krisenländern nicht zurückgeht, werden radikale Parteien weiter gestärkt. Niemand mag sich ausmalen, was dies für Europa bedeuten würde. Deshalb ist eine rasche Wende in der Wirtschaftspolitik wichtig.

Ob und wie der Aufkauf von Staatsanleihen mit dem Europarecht vereinbar ist, entscheidet der Europäische Gerichtshof. Der Schlussantrag des Generalanwalts des EuGH deutet auf genügend Spielraum für die EZB hin.”

 

Den Grünen Investitionsplan für Europa findet Sie unter: http://www.greens-efa.eu/de/a-green-investment-plan-for-europe-13152.html

Rubrik: Wirtschaft & Währung

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