Sven Giegold

Finanzmarktregulierung: Mit Ratschlägen der Finanzindustrie kündigt EU-Kommissar Hill Deregulierungsagenda an

EU-Finanzkommissar Jonathan Hill hat die Ergebnisse einer Konsultation zur Bilanz der EU-Finanzmarktregulierung vorgestellt und einen Ausblick auf den finanzmarktpolitischen Kurs der EU-Kommission gegeben. An der Konsultation nahmen überwiegend Akteure aus der Finanzbranche teil. Über die Ergebnisse und die Pläne der EU-Kommission diskutierte Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament, bei der Konferenz von EU-Kommissar Hill in Brüssel. Dazu kommentiert Sven Giegold:

 

“Die EU-Kommission fragt den Bock, wie der Garten aussehen soll. Die Ergebnisse der Konsultation tragen die eindeutige Handschrift der Finanzindustrie: 80% der Konsultationsteilnehmer kommen aus der Finanzwirtschaft, nur 5% aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Die EU-Kommission muss hier für eine Korrektur sorgen. Die Ergebnisse der Konsultation müssen durch die Empfehlungen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft ergänzt werden. Darum muss die Kommission sich aktiv bemühen, um hier für einen Ausgleich zu sorgen.

Die Ankündigung von EU-Finanzkommissar Hill anhand dieser Ergebnisse Korrekturen an den Reformen vorzunehmen, lassen die Alarmglocken läuten. Was Hill als Reparaturen an der Finanzmarktregulierung bezeichnet, ist in Wahrheit ein lobbygetriebener Richtungswechsel. Statt mit einer Deregulierungsagenda das Rad der Finanzmarktregulierung zurückzudrehen, sind weitere Reformen nötig. Wir brauchen eine grundlegende Überarbeitung der überkomplexen Finanzmarktregeln. Für den großen Wurf fehlt der EU-Kommission offensichtlich der Mut. Notwendig wäre ein weniger komplexes EU-Finanzmarktgesetzbuch aus einem Guss, das strenge und einfachere Regeln zusammenbringt. Kleine Lichtblicke sind die richtigen Vorschläge der EU-Kommission etwa im Bereich des Meldewesens und Erleichterungen für keine, stabile Banken. Aber: Jonathan Hill hat einseitig auf Vorschläge verzichtet, die die Kosten unseres überkomplexen Finanzsektors für die Realwirtschaft und Anleger reduzieren könnten. Der Auswertung der EU-Kommission fehlt jeder Handlungswille, um die Finanzmarktregulierung makroökonomisch intelligenter zu machen oder den nachhaltigen Finanzsektor gezielt zu stärken.

Leider lässt sich die EU-Kommission von dem Trugschluss treiben, dass besser geordnete Finanzmärkte wirtschaftliche Dynamik kosten. Dabei liegen die wichtigsten Gründe für die ökonomische Stagnation nicht zuerst bei der Regulierung der Finanzmärkte, sondern an einer Nachfrageschwäche durch die Folgen der Finanzkrise und eine fehlende gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik im Euroraum.

Jonathan Hill sollte noch einmal grundlegend nachdenken, denn für einen Richtungswechsel in der Finanzmarktregulierung wird es im Europaparlament keine Mehrheit geben. Er muss jetzt für Balance in seinen Vorschlägen sorgen.”

 

Die Ergebnisse der Konsultation der EU-Kommission: http://ec.europa.eu/finance/consultations/2015/financial-regulatory-framework-review/docs/summary-of-responses_en.pdf

 

Rede von EU-Kommissar Jonathan Hill zu den Ergebnissen der Konsultation am 17.05.2016 in Brüssel: http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-16-1788_en.htm

 

BALZ-Bericht des Europaparlaments, in dem parteiübergreifend eine ausgewogene Weiterentwicklung der EU-Finanzmarktreformen gefordert wird:

http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2016-0006+0+DOC+PDF+V0//DE

 

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Rubrik: Wirtschaft & Währung

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