Sven Giegold

EU-Transparenzregister: Giegold fordert Transparenz für Transparenz-Verhandlungen

Am Dienstagabend, 17 April 2018, trafen sich EU-Kommission, Europäisches Parlament und Rat zur ersten Verhandlungsrunde über das EU-Transparenzregister auf politischer Ebene. Das Treffen führte zu einer harten Konfrontation: Während alle Institutionen ehrgeizige Lippenbekenntnisse abgeben, um das Transparenzregister „verbindlich“ zu machen, boten weder Parlament noch Rat Relevantes an, um dieses gemeinsame Ziel zu verwirklichen. Die EU-Verträge geben der EU nicht die Macht, Lobbyisten per Gesetz zu Transparenz zu verpflichten. Um Lobbyisten Anreize zur Registrierung zu schaffen, müssen sich die EU-Institutionen daher verpflichten, sich nur mit registrierten Lobbyisten auszutauschen. Dank der Registrierung können die Bürger dann Lobbyorganisationen, Namen, Finanzierung und Absichten online im EU-Transparenzregister finden. Keine der Institutionen ist jedoch bereit, die selten befolgte Regel „ohne Registrierung, kein Treffen“ stärker als bisher anzuwenden. Die EU-Kommission hat sich im November 2014 verpflichtet, nur registrierte Lobbyisten zu treffen und bestand gestern Abend gegenüber Parlament und Rat darauf, dass auch die anderen Institutionen vergleichbare Selbstverpflichtungen eingehen. Parlament und Rat bieten nur an, Verwaltungspersonal, das kaum Lobbyisten trifft, zu Lobbytransparenz zu verpflichten. Darüber hinaus soll einzelnen Abgeordneten und den Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten selbst überlassen sein, wie transparent sie bei Lobbytreffen sein wollen.

Als Grundlage für die Sitzung am Dienstag haben die Verhandlungsführerinnen des Parlaments endlich ihr Angebot vorgelegt. Das von Konferenz der Fraktionsvorsitzenden beschlossene Mandat des Parlaments ist sehr vage und wurde nun in einem Verhandlungsdokument von der französischen Sozialistin Sylvie Guillaume und der polnischen Christdemokratin Danuta Hübner präzisiert. Dieses Vier-Spalten-Dokument blieb unter Verschluss und wurde nicht einmal den Abgeordneten zur Verfügung gestellt, die die Verhandlungen über das Transparenzregister im Namen ihrer Fraktionen verfolgen. Deshalb schrieb Sven Giegold jetzt einen Brief an den Präsidenten und die beiden Verhandlungsführerinnen des Parlaments, in dem er die öffentliche Transparenz dieses Vier-Spalten-Dokuments fordert. Dieses Recht der EU-Bürger wurde kürzlich vom EU-Gericht im Urteil “de Capitani gegen das Parlament” bestätigt. Im Urteil wurde entschieden, dass Vier-Spalten-Dokumente bereits während der Verhandlungen für die EU-Bürger transparent gemacht werden müssen, mit sehr begrenzten Ausnahmen. Die Grünen hatten für die Arbeit unter den Europaabgeordneten schon zu Beginn des Verfahrens gebeten, die Position des Parlaments in rechtlicher Sprache und als konkrete Änderungsanträge am Kommissions-Vorschlag zu erarbeiten. Wir hatten darum zu Beginn der Textarbeit, bei Vorlage des Mandatsentwurf durch die Verhandlungsführerinnen und das letzte Mal nach Beschluss des Mandats gebeten.

Das vage Mandat des Parlaments wurde mit Unterstützung von Christdemokraten (EVP), Sozialdemokraten (S&D), Liberalen (ALDE) und sogar der Linken (GUE) gegen die Opposition der Grünen und der ECR angenommen, die einen verbindlichen legislativen Fußabdruck von Schattenberichterstattern und Ausschussvorsitzenden gefordert hatten. Ein verbindlicher legislativer Fußabdruck kann die Transparenz der Lobbyarbeit bei denjenigen gewährleisten, die über EU-Rechtsvorschriften verhandeln, insbesondere in Trilogen. Das Plenum des Parlaments „ist der Ansicht, dass Berichterstatter, Schattenberichterstatter und Ausschussvorsitze in den Geltungsbereich des Transparenz-Registers fallende Sitzungen mit Interessenvertretern zu Dossiers in ihrem Zuständigkeitsbereich mithilfe besonderer Formulare (legislativer Fußabdruck) veröffentlichen sollten“ (aus §4 der Transparenz-Resolution vom 14. September 2017).

 

Dazu sagt der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, Sven Giegold:

“Es ist beschämend, wie wenig Lobby-Transparenz das Parlament im Austausch für mehr Verpflichtungen von Rat und Kommission bietet. Schlimmer noch, es ist nicht hinnehmbar, dass der mangelnde Wille zur Transparenz von mangelnder Transparenz relevanter Dokumente verdeckt wird. Während die Kommission mutige Schritte in Richtung mehr Transparenz unternommen hat, sind die Fraktionen der Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen des Europäischen Parlaments noch nicht einmal bereit für eine verbindliche Lobbytransparenz für Berichterstatter und Ausschussvorsitzende. Das Parlament bietet kaum mehr als der notorisch undurchsichtige Rat, um das Lobbyregister verbindlich zu machen.

Die Verhandlungsführerinnen des Parlaments wollen die interinstitutionelle Vereinbarung sogar dazu nutzen, die Intransparenz der Lobbyarbeit für die Zukunft fest zu schreiben. Der Rat ist nicht bereit, sich für die Transparenz der Lobbyarbeit einzusetzen, fordert aber zumindest nicht, es Mitgliedstaaten, die alleine voranschreiten wollen, schwerer zu machen. Die Verhandlungsführerinnen, die französische Sozialistin Sylvie Guillaume und die polnische Christdemokratin Danuta Hübner, wollen die Europaabgeordneten von der verbindlichen Lobbytransparenz im ausgehandelten Abkommen zwischen den EU-Institutionen ausschließen. Selbst eine neue Mehrheit im Parlament müsste erst die Kommission und den Rat fragen, bevor sie einen verbindlichen legislativen Fußabdruck einführen könnte. Der Widerstand von Christdemokraten und Sozialdemokraten gegen verbindliche Lobbytransparenz wird zu verbindlicher Intransparenz.

Neue Versuche, das ohnehin schon schwache Verhandlungsmandat des Parlaments weiter zu schwächen, sind inakzeptabel. Erstens, Lobbysitzungen sollten in einer Bar am Schuman oder Place Luxembourg genauso transparent stattfinden wie im Berlaymont-Gebäude oder im Parlamentsgebäude. Die Verhandlungsführerinnen Guillaume und Hübner schlagen vor, Lobbysitzungen nur als solche zu definieren, wenn sie „in den Räumlichkeiten der Institutionen stattfinden“. Zweitens, Lobbyveranstaltungen sollten nur dann unter Schirrmherrschaft von EU-Institutionen stattfinden können, wenn die Veranstalter registriert und für die Bürger transparent sind. Die Verhandlungsführerinnen wollen diese Bedingung fallen lassen, obwohl das Plenum des Parlaments diese Bedingung im Dezember 2016 unterstützt hat. Lobbyarbeit bei Kaffee und Croissants am Morgen oder Mittag- und Abendessen im Parlament dürfen nur für registrierte Lobbyisten möglich sein.“

 

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BITTE UM DAS 4-SPALTEN-DOKUMENT mit Details zur Parlaments-Position für die Verhandlungen zum EU-Transparenzregister

To: President Antonio Tajani, Vice-President Sylvie Guillaume, AFCO chair Danuta Hübner

Dear president, Mr Tajani,

dear lead-negotiators, Ms Guillaume and Ms Hübner,

this Tuesday, European Parliament, EU Commission and Council of the EU met for the first time on political level to discuss the update of the IIA on the EU Transparency Register. As a basis for these negotiations, a 4-column document was compiled, spelling out Parliament’s offers more precisely than the European Parliament negotiating mandate adopted by the Conference of Presidents on 15 June 2017. We had asked for such a detailed positioning of Parliament as legal language in track changes to Commission’s position already during the work of the contact group. We did so at the beginning of our common text work, again when the first EP mandate was drawn up by the lead negotiators, and last time when the mandate was decided and the start of negotiations approached. We welcome this work has been finally done.

We believed then and now that this work should be transparent to citizens, in particular when the content at stake is the transparency of EU politics itself. During the contact group, it was argued such transparency might be detrimental to the aim of negotiations. On this question, the balancing of aims and values in EU treaties concerning the transparency of 4-column documents during ongoing negotiations among EU institutions, on 22 March 2018, the EU’s General Court ruled in the case de Capitani v Parliament. The General court ruled that the European Parliament must in principle grant access, on specific request, to documents relating to ongoing trilogues.

Could you, therefore, share this 4-column document and all related supporting documents with us? Or better, could you make the 4-column document available to the public on Parliament’s homepage ahead of further individual requests? Parliament, as the chamber of citizens, should lead by exemplary transparency in negotiations about transparency of the EU political process.

With thanks and kind regards

Sven Giegold

 

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HINTERGRUND Dokumente:

 

VERGLEICHS-TABELLE DER POSITIONEN DER EU-INSTITUTIONEN: ‘Keine Registrierung, kein Treffen’-Regel (nur EN)

 

Kommisions-Entwurf (nur EN): http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/EN/1-2016-627-EN-F1-1.PDF

Anhang zum Kommissions-Entwurf (nur EN): http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/EN/1-2016-627-EN-F1-1-ANNEX-1.PDF

Mandat des Parlaments (nur EN): http://www.europarl.europa.eu/resources/library/media/20170622RES78125/20170622RES78125.pdf

Parlaments-Resolution zu Transparenz (‘Giegold-Bericht’): http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+TA+P8-TA-2017-0358+0+DOC+PDF+V0//DE

Rats-Mandat: http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2017/12/06/transparency-register-council-agrees-mandate-for-negotiations/

Urteil des EU-Gerichts zu 4-Spalten-Dokumenten: https://sven-giegold.de/2018/eugh-urteil-zu-trilogen-durchbruch-fuer-mehr-transparenz-bei-der-eu-gesetzgebung/